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Als Hitler das rosa Kaninchen stahl

Als Hitler das rosa Kaninchen stahl

Titel: Als Hitler das rosa Kaninchen stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Kerr
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Engländer.
    Die begrüßten einander, lächelten und redeten.
    »Kannst du verstehen, was sie sagen?« fragte Anna.
    »Kein Wort«, sagte Max.
    »Nach ein paar Monaten werden wir es können«, sagte Anna.
    Papa hatte einen Gepäckträger gefunden, aber von Vetter Otto war nichts zu sehen; so gingen Mama und Papa auf die Suche nach ihm, während die Kinder bei dem Gepäck blieben. Es war kalt. Anna setzte sich auf einen Koffer, und der Gepäckträger lächelte sie an.
    »Francais?« fragte er.
    Anna schüttelte den Kopf.
    »Deutsch?«
    Sie nickte.
    »Ah, deutsch«, sagte der Gepäckträger. Er war ein rundlicher kleiner Mann mit einem roten Gesicht.
    »Ittla?« fügte er hinzu. Anna und Max sahen einander an. Sie wußten nicht, was er meinte.
    »Ittla! Ittla!« sagte der Gepäckträger. Er legte einen Finger unter die Nase, wie ein Bärtchen, und die andere Hand hob er zum Nazigruß. »Ittla?« sagte er.
    »Oh, Hitler!« rief Max.
    Anna fragte: »Gibt es hier Nazis?«
    »Hoffentlich nicht«, sagte Max.
    Sie schüttelten beide die Köpfe und machten mißbilligende Gesichter.
    »No«, sagten sie, »no Hitler!«
    Der Gepäckträger schien erfreut.
    »Ittla...«, begann er. Er schaute sich um, ob ihn jemand beobachtete und spuckte dann kräftig auf den Boden. »Ittla«, sagte er. Das war es, was er von ihm dachte.
    Sie lächelten alle, und der Gepäckträger wollte mit in die Stirn gezogenem Haar gerade eine neue Imitation von Hitler zum besten geben, als Mama von der einen und Papa mit Vetter Otto von der anderen Seite auftauchten.
    »Willkommen in England!« rief Vetter Otto und umarmte Mama. Und dann, als Mama ein wenig schauerte, fügte er vorwurfsvoll hinzu: »In diesem Land sollte man immer wollenes Unterzeug tragen.«
    Anna hatte ihn aus Berlin als einen recht feinen Herrn in Erinnerung, aber jetzt sah er in seinem zerknitterten Mantel ziemlich schäbig aus. Sie gingen langsam hinter ihm her zum Ausgang. Der Menschenstrom umgab sie von allen Seiten. Es war so feucht, daß der Dampf vom Boden aufzusteigen schien, und Anna stieg der Gummigeruch all der Regenmäntel in die Nase. Am Ende des Bahnsteigs gab es einen kleinen Aufenthalt, aber niemand stieß oder drängte, wie es in Frankreich und Deutschland üblich war.
    Jeder wartete, bis die Reihe an ihn kam. Durch den Dunst hindurch leuchtete ein Obststand mit seinen Orangen, Äpfeln und gelben Bananen, und ein Ladenfenster war ganz mit Bonbons und Schokoladen gefüllt. Die Engländer mußten sehr reich sein, wenn sie alle diese Dinge kaufen konnten. Sie kamen an einem englischen Polizisten mit einem hohen Helm vorbei und an einem anderen in einem nassen Umhang.
    Vor dem Bahnhof fiel der Regen wie ein glitzernder Vorhang, und hinter diesem Vorhang konnte Anna undeutlich eine Art von offenem Platz erkennen.
    Wieder kam das Gefühl über sie, daß sie das alles schon einmal erlebt hatte. Sie hatte im Regen vor einem Bahnhof gestanden, und es war kalt gewesen...
    »Wartet hier, ich hole ein Taxi«, sagte Vetter Otto, und auch das kam ihr bekannt vor.
    Plötzlich flossen ihre Müdigkeit und die Kälte in eins zusammen. In ihrem Kopf war es ganz leer, der Regen schien überall zu sein und Vergangenheit und Gegenwart vermischten sich, so daß sie einen Augenblick lang nicht wußte, wo sie war.
    »Ist dir was?« sagte Papa und packte sie beim Arm, da sie ein wenig schwankte, und Vetter Otto sagte in mitfühlendem Ton: »Es muß schwer sein, wenn man seine Kindheit damit zubringt, von Land zu Land zu ziehen.«
    Bei diesen Worten klärte sich etwas in Annas Kopf.
    »Eine schwere Kindheit...« dachte sie. Die Vergangenheit und die Gegenwart glitten auseinander. Sie erinnerte sich an die lange mühselige Reise mit Mama von Berlin in die Schweiz, wie es geregnet hatte, und wie sie in Günthers Buch gelesen und sich eine schwere Kindheit gewünscht hatte, damit sie eines Tages berühmt werden konnte. Hatte ihr Wunsch sich erfüllt? Konnte man ihr Leben seit sie von Deutschland weggegangen waren, wirklich als eine schwere Kindheit bezeichnen?
    Sie dachte an die Wohnung in Paris und an den Gasthof Zwirn. Nein, es war lächerlich. Manches war schwierig gewesen, aber immer war es interessant und manchmal komisch, und sie und Max und Mama und Papa waren fast immer zusammen gewesen. Solange sie beisammen waren, konnte es doch keine schwere Kindheit sein. Sie seufzte ein wenig, sie mußte ihre Hoffnungen wohl aufgeben.
    »Wie schade«, dachte sie, »auf diese Weise werde ich nie

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