Als ich im Sterben lag (German Edition)
hinaus genügend zusammensparen konnte, um damit die Kuchen zu backen; ich hatte sogar so viele darüber hinaus, dass Mehl und Zucker und Holz für den Ofen nichts kosten würden. So machte ich mich gestern ans Backen, sorgfältiger als je in meinem Leben, und die Kuchen gerieten ziemlich gut. Aber als wir heute Morgen in die Stadt kamen, sagte Miss Lawington, die Dame hätte ihren Sinn geändert und die Gesellschaft abgesagt.
«Die Kuchen hätt sie auf jeden Fall nehmen müssen», sagt Kate.
«Nun ja», sage ich, «jetzt hat sie doch keine Verwendung mehr dafür.»
«Sie hätt sie nehmen müssen», sagt Kate. «Aber diese reichen Damen in der Stadt können ihren Sinn ändern, wie’s ihnen passt. Arme Leute können das nicht.»
Reichtum gilt nichts vor dem Angesicht des Herrn, denn Er sieht ins Herz. «Vielleicht kann ich sie Samstag auf dem Wochenmarkt verkaufen», sage ich. Sie sind wirklich gut geworden.
«Nicht für zwei Dollar das Stück», sagt Kate.
«Na ja, es ist ja nicht so, als hätten sie mich viel gekostet», sage ich. Ich hab die Eier zusammengekratzt und ein Dutzend gegen Zucker und Mehl eingetauscht. Die Kuchen haben mich praktisch nichts gekostet, sogar Mr. Tull sieht ein, dass ich mehr Eier zusammenhatte, als ich zum Verkaufen brauchte, wir haben da ja eine feste Abmachung. Im Grunde war’s so, als hätten wir die Eier gefunden oder geschenkt bekommen.
«Sie hätte diese Kuchen nehmen müssen, wo sie dir’s doch so gut wie zugesagt hat», sagt Kate. Der Herr aber sieht ins Herz. Wenn es Sein Wille ist, dass manche Leute was anderes unter Redlichkeit verstehn als andere, dann ist es nicht an mir, Seinen Ratschluss anzuzweifeln.
«Ich nehme an, sie hat sie nie ehrlich gewollt», sage ich. Dabei sind sie wirklich gut geworden.
Die Bettdecke ist bis zu ihrem Kinn raufgezogen, trotz der Hitze, nur ihre Hände und das Gesicht sind zu sehen. Ihr Kopf wird vom Kissen gestützt, sodass er etwas erhöht liegt und sie aus dem Fenster sehen kann, und wir können es immer hören, wenn er zum Breitbeil oder zur Säge greift. Wären wir taub, wir brauchten bloß ihr Gesicht zu beobachten, um ihn zu hören, ihn zu sehen. Ihr Gesicht ist so abgezehrt, dass die Knochen sich unmittelbar unter der Haut in weißen Linien abzeichnen. Ihre Augen sind wie zwei Kerzen, die ihr Wachs in die Auffangteller eiserner Kerzenhalter vertropfen. Aber die ewige, die immerwährende Erlösung und Gnade sind nicht über ihr.
«Sie sind wirklich gut geworden», sage ich. «Aber nicht zu vergleichen mit den Kuchen, die Addie immer gebacken hat.» Am Kissenbezug sieht man, wie dies Mädchen wäscht und bügelt, falls sie ihn überhaupt je gebügelt hat. Vielleicht, dass ihr jetzt die Augen aufgehn, wo sie hilflos daliegt und der Barmherzigkeit und Pflege von vier Männern und einer ungewaschenen Göre von Tochter ausgeliefert ist. «Keine Frau weit und breit konnte es im Backen je mit Addie Bundren aufnehmen», sag ich. «Ich wette, kaum ist sie wieder auf den Beinen, backt sie, und dann können wir einpacken, wir verkaufen keinen Krümel mehr.» Die Steppdecke buckelt sich nicht höher, als wenn ein Sumpfhuhn drunterläge, einzig am Knistern der Matratzenfüllung aus getrockneten Maisblättern merkt man, dass sie atmet. Selbst die Haare an ihrer Wange regen sich nicht, obwohl das Mädchen dicht neben ihr steht und ihr mit dem Fächer Luft zufächelt. Während wir ihr zusehen, wechselt sie, ohne das Fächeln zu unterbrechen, den Fächer in die andere Hand.
«Schläft sie?», flüstert Kate.
«Sie sieht nur Cash da draußen zu», sagt das Mädchen. Wir können die Säge im Holz hören. Es klingt wie Schnarchen. Eula dreht sich aus der Taille heraus um und sieht zum Fenster hinaus. Ihre Halskette passt wirklich hübsch zum roten Hut. Kaum zu glauben, dass sie nur fünfundzwanzig Cent gekostet hat.
«Sie hätt die Kuchen nehmen müssen», sagt Kate. Ich hätte das Geld wirklich gut gebrauchen können. Nicht dass sie mich was gekostet hätten, vom Backen abgesehn. Jeder kann sich mal verspekulieren, kann ich ihm sagen, aber nicht jeder kommt davon, ohne Federn zu lassen, kann ich ihm sagen. Und nicht jeder kann seine Fehler essen, kann ich ihm sagen.
Jemand geht durch den Flur. Es ist Darl. Er wirft keinen Blick ins Zimmer, als er an der Tür vorbeikommt. Eula sieht ihm nach, wie er weitergeht und irgendwo hinten verschwindet und nicht mehr zu sehen ist. Sie hebt die Hand und berührt leicht die Perlenkette und dann ihr Haar.
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