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Als ich noch der Waldbauernbub war - Arena Kinderbuch-Klassiker

Als ich noch der Waldbauernbub war - Arena Kinderbuch-Klassiker

Titel: Als ich noch der Waldbauernbub war - Arena Kinderbuch-Klassiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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bei der Tür hinein. Denn davor stand eine kleine alte Frau mit Brillen auf der Nase, diese schaute uns prüfend an und sagte, wenn wir die Kinder aus Alpel wären, so sollten wir uns in die Brennholzhütte hineinsetzen und warten, die Herren hätten eben die Dorfkinder in der Arbeit; wenn sie mit diesen fertig wären, würden wir schon gerufen werden. Als wir drin waren, schlug sie das Lattentor hinter sich zu, sodass es sich anhörte, als wären wir eingesperrt.
    Im Schuppen waren aufgeschichtete Stöße von Holzscheiten, darauf setzten wir uns und waren recht kleinlaut. Der alte Schulmeister war immer unter uns. Er sagte gar nichts, schnupfte aber sehr oft aus seiner Dose. Nach einer Stunde ungefähr, als unsere Beine schon steif und unsere Nasen schon blau geworden waren, hörten wir vom Hause her ein lebhaftes Getrampel, als ob eine Schar Ziegen über die Stiege liefe. Bald darauf stoben die frei gewordenen Dorfkinder auseinander und wir sahen, wie viele derselben schöne Sachen bei sich hatten, die sie betrachteten und einander zeigten. Da hatten sie Bildchen, rot gebundene Büchlein mit Goldschnitt und in Seidenbändchen gefasste Silbermünzen. Unser Schulmeister sagte uns, dass solches die Prämien wären, womit die fleißigen Schüler bei der Prüfung belohnt würden. Er deutete nicht an, ob etwa auch uns derlei bevorstünde, für uns gewann aber die bevorstehende Prüfung nun ein anderes Ansehen. Wir wurden gerufen.
    Ehrerbietig und leise schritten wir die Treppe hinauf und in das Zimmer hinein. Das war sehr groß und weiß und licht und hatte Bankreihen und roch nach Kindern. Und an der Wand stand eine Kanzel mit Bücherstößen. Und daneben lehnte eine große schwarze Tafel, auf welcher noch die Kreideziffern einer Rechnung standen. Beim Anblicke dieser Zahlen ward mir sofort übel, denn so sehr ich die Buchstaben stets geliebt, so sehr habe ich die Ziffern von jeher gefürchtet. Wir setzten uns auf Befehl stolpernd in die Bänke und packten unsere Schulbücher und Schiefertafeln aus. Der alte Schulmeister war nahe an der Tür stehen geblieben, hatte unsere Ordnung gemustert und machte nun, als die Herren hereintraten, eine tiefe Verbeugung. Die Herren waren freilich darnach. Da war ein schlanker, ältlicher Priester in schwarzem Talar – der Pfarrer von Krieglach; dann ein junger, ebenfalls schlanker Geistlicher mit einem sehr ernsthaften Gesichte, das war der Kaplan; hernach ein wohl beleibter, rund- und rotgesichtiger Herr mit einer recht großen Glatze – das war der Dechant aus Spital am Semmering. Ferner noch mehrere Herren in schwarzem Gewande und mit dunklen und roten Bärten und funkelnden Augengläsern. Sie musterten uns mit scharfen Blicken und einer oder der andere zuckte wohl gar ein wenig die Achseln, gleichsam als bedauerte er, solche arme Hascherln so weit hergerufen zu haben für nichts und wieder nichts. Denn es waren gar kümmerliche Figürlein und gar einfältige Gesichtlein unter uns. Man könne sich’s ja denken, flüsterte einer der Herren zu seinem Nachbarn, wenn die Kinder aufwachsen wie die Tiere im Walde, und ein solcher Lehrer dazu! Man könne sich’s ja denken!
    Da war unter den würdigen Herren auch ein kleiner dicker Kumpan mit stets zwinkernden Äuglein und schmunzelnden Lippen. Er war, soviel ich weiß, ein Gerbermeister und der »Schulvater« einer Nachbarsgemeinde, er war gekommen, um bei der Prüfung auch sein Gewicht geltend zu machen. Dieser nun trat allsogleich vor, nahm einen Jungen der ersten Bank aufs Korn und fragte ihn: »Wie viel hat dein Vater Kinder?«
    »Mein Vater hat sieben Kinder«, antwortete der Kleine.
    »Und wie viel hat dein Vater Finger?«
    »Mein Vater hat zehn Finger.«
    »Falsch«, rief der dicke ›Schulvater‹, »wenn dein Vater sieben Kinder hat, so hat er wahrscheinlich achtzig Finger.«
    Auf das gab’s ein paar laute Lacher, der gefragte Schüler aber schaute verblüfft drein.
    Der Fragesteller wandte sich zur zweiten Bank. »Jetzt will ich dem saubern Dirndl dort eine andere Aufgabe stellen. Wenn auf einem Kirschbaum zehn Gimpel sitzen und ich schieße einen herab, wie viele bleiben oben?«
    Das Mädchen stand auf und antwortete: »So bleiben neun oben.«
    Zog der »Schulvater« ein sehr schlaues Lächeln und sagte: »Ich glaube, es wird gar keiner oben bleiben, denn die neun übrigen werden davonfliegen.«
    Jetzt trat der alte Michel ein paar Schritte aus seinem Hintergrund und, mit gefalteten Händen gegen den Fragesteller gewendet,

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