Als Mrs Simpson den König stahl
bei dichtem Nebel auf eine Häuserzeile gestürzt. Die Abdankung wurde nicht erwähnt. Kein Film über die überhastete Abreise Mrs Simpsons in der Vorwoche, kein Bildmaterial von dem Mann, der bis zum Vortag noch König gewesen war, wie er zwischen dem Fort und den königlichen Palästen hin und her pendelte und die Einzelheiten der schwerwiegendsten Entscheidung seines Lebens ausarbeitete.
Als May sich eben zu fragen begann, ob sie sich das ganze
königliche Spektakel womöglich nur ausgedacht hatte, um sich von der Ungewissheit ihrer Zukunft mit Julian abzulenken, erschien ein Foto des Herzogs und der Herzogin von York mit der Schlagzeile »Unser neuer König mit Königin Elizabeth«. Während des Abspanns des Films hörte man kollektive Stoßseufzer, und einige riefen: »Gott segne sie!« Der Sprecher mit seinem geschliffenen Akzent erzählte noch einmal, wie der Herzog von York im Jahre 1923 eine »charmante schottische Braut« von Glamis Castle erwählt habe.
Gerade füllte ein mit Türmchen versehenes Gebäude, mindestens zehn Mal so groß wie das Fort, die Leinwand aus, da tauchte neben May ein großer Mann mit Mütze auf und bedeutete ihr, ihm Platz zu machen und auf den leeren Sitz neben ihr zu rutschen. May blickte kaum auf, sondern seufzte nur leicht irritiert und setzte sich um. Dabei heftete sie die Augen unverwandt auf eine Szene, die ein gelocktes Mädchen in einem weißen Mantel an der Hand ihrer mit Perlen behängten Großmutter zeigte. »Prinzessin Elizabeth Alexandra Mary ist jetzt unmittelbare Thronfolgerin«, verkündete die erlesene Stimme, als der Neuankömmling neben May eine zusammengerollte Zeitung auspackte und einen vertrauten Essiggeruch freisetzte. Plötzlich verspürte May ein nagendes Hungergefühl. In den letzten Tagen hatte sie nur wenig gegessen, obwohl Rachel sie ermahnt hatte, dass gerade in diesen Zeiten jeder bei Kräften bleiben müsse.
»Möchten Sie? Die Pommes frites sind noch ziemlich heiß«, flüsterte der Mann, zog seine Mütze ab und löste seinen gestreiften Schal. May sah ihn noch immer nicht an, aber die Stimme war so vertraut wie die ihrer Mutter. Es war dieselbe Stimme, die ihr in ihren Träumen zuwisperte, derselbe Klang, den sie sich jeden Morgen ins Gedächtnis zurückzurufen versuchte.
»Wir können versichert sein, dass die Würde der Krone, um die sein geliebter Vater König George V . sich so verdient gemacht hat, bei König Albert in guten Händen ist«, sagte der Kommen
tator. »Wir wünschen König Albert und Königin Elizabeth ein langes Leben und Glück und Mut für die kommenden Jahre«, schloss die Stimme. May zwang sich, ein Kartoffelstäbchen zu essen, und es schmeckte köstlich.
»Danke, Liebling«, murmelte sie, als Julian über den Sitz hinweg nach ihrer Hand griff. Er verschränkte ihre Finger mit den seinen, setzte seine Brille ab und beugte sich zu ihr, um sie zu küssen. Sein weißblonder Schopf leuchtete in dem dunklen Saal.
DANKSAGUNG
Für die Auskünfte, die mir Anne Sander vom Archiv des Balliol College Oxford, Luke McKernan vom British Library Newsreel, Mike Lamden von National Express Coaches und die stets hilfsbereiten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der London Library erteilt haben, bin ich sehr dankbar. Bei den Recherchen für dieses Buch habe ich Dutzende Biographien, Geschichtsbücher, Essays, Romane, Zeitungen, Zeitschriften, Tagebücher, persönliche Briefe, sowohl veröffentlichte wie unveröffentlichte, und Unmengen von Fotos sowie mehrere Filme zu Rate gezogen. Zu den Publikationen, die ich besonders nützlich fand, gehören: Edward Windsor: Eines Königs Geschichte. Die Memoiren des Herzogs von Windsor. Aus dem Englischen übertragen von Walter Schürenberg (1951); Wallis Simpson: Mein Herz hatte recht. Die Memoiren der Herzogin von Windsor. [Übertragung von Helene Scheu-Riesz] (1957); Michael Bloch (Hrsg.): Die Windsors. Briefe einer großen Liebe. Die private Korrespondenz aus dem Nachlaß der Herzogin von Windsor . Übersetzt aus dem Englischen von Ingeborg Ebel und Gertrud Theiss (1992); James Pope-Hennessy: Queen Mary, 1867-1953 (1959); Philip Ziegler: King Edward VIII . The Official Biography (1990); J. A. Booker: Blackshirts-on-Sea. The Story of the British Blackshirt Summer Camps in West Sussex 1933–38 (1999); Emanuel Litvinoff: Journey through a Small Planet (1972); Ronald Blythe: The Age of Illusion. England in the Twenties and Thirties, 1919-1940 (1963); Robert Graves/Alan Hodge: The Long Week-end. A
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