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Als Mrs Simpson den König stahl

Als Mrs Simpson den König stahl

Titel: Als Mrs Simpson den König stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Nicolson
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Sitze ein. Dieses sonderbare Haus, zu dem Fragen zu stellen ihr von vornherein verboten worden war, hatte sie ganz und gar erschüttert.
    »Sieh mal einer an«, murmelte May vor sich hin, als sie sich auf ihrem Sitz niederließ. Sie dachte darüber nach, dass Mrs Simpson wohl eine sehr gute Freundin des Königs sein musste, um in seinem Haus den Ton anzugeben.
    »Jetzt muss ich wieder zurück an meinen Ort, dorthin, wo ich hingehöre, Liebling«, sagte sie laut zu sich selbst. »Liebling« bedeutete May sehr viel. Ihr Vater hatte das Wort nie in den Mund genommen, wenn er mit ihr sprach, und sie war froh darüber. Dieser Kosename war ihrer Mutter vorbehalten, die ihn aber nur selten benutzt hatte. Seine besänftigende Kraft hatte May immer freudig überrascht. Sie konnte sich nicht vorstellen, das Wort jemals selbst zu verwenden. Es schien zu niemandem zu passen, den sie kannte. Einen Augenblick lang wünschte sie verzweifelt, ihre Mutter könnte jetzt bei ihr sein.
    May rückte das Sitzkissen zurecht, zu dem ihr Mr Hooch, der in Cuckmere Park für alles Mögliche zuständig war, geraten hatte. Dann zog sie die Wagentür zu und legte sorgfältig den Rückwärtsgang ein. Nach der Szene im Salon war sie noch immer nervös. Als der Wagen knirschend über den Kies zu rollen begann, verfing sich ihr Schuh plötzlich in einem kleinen Riss
im Teppichboden. May versuchte, ihren Fuß zu befreien, und drückte aus Versehen aufs Gaspedal. Der Wagen machte einen Satz zurück und prallte gegen ein Objekt, von dem May überzeugt war, dass es sich vorher noch nicht dort befunden hatte.
    Das Kribbeln in ihren Armen hatte seinen Ursprung unter der Haut. Während sie gegen den Instinkt ankämpfte, sich umzusehen, wanderte diese körperliche Empfindung – Mays ärgerliche Reaktion auf alles, was sie nervös machte – hinauf zu ihren Schultern, dann zu ihrem Hals und schließlich zu ihren Wangen. Immer mit der Ruhe , sagte sich May. Kein Grund zur Panik . Hatte Miss Nettlefold ihre Handtasche mitgenommen, als sie das Haus betreten hatte? May war sich sicher. Dann durchfuhr sie ein schrecklicher Gedanke. Das Gesicht noch immer nach vorn gerichtet und mit durchgestrecktem Rücken konnte May im Innenspiegel den Rücksitz sehen. Der Rücksitz war leer.
    In diesem Augenblick erschien Miss Nettlefold im Eingang. Ein, zwei Sekunden lang blieb sie reglos stehen, diese große und auf gewisse Weise absurde Gestalt, mit ihrem schwarzen Pelzhut, ihrem gebauschten Mantel und ihren gerundeten und nach vorn gekrümmten Schultern, als versuche sie, ihre Körpergröße zu verringern. Miss Nettlefold lächelte, als sie ihre Augen mit der Hand gegen den überraschend grellen Schein der untergehenden Wintersonne schützte und die Auffahrt absuchte.
    »Wiggle!«, hörte May sie mit tiefer amerikanischer Stimme rufen, dann noch einmal, etwas lauter und mit Betonung auf der gedehnten ersten Silbe: »Wiiig-le!«
    Miss Nettlefold, noch war sie glückliche Besitzerin eines vorübergehend vermissten Hundes, wandte sich in Richtung des geparkten Wagens und suchte den Kies nach einem wedelnden Schwanz ab. Dann fiel ihr Blick auf den Rolls-Royce, genauer gesagt, auf eines der Hinterräder, unter dem gerade noch eine kleine, reglose Gestalt zu erkennen war.
    Im Nu füllte sich die Auffahrt mit etlichen Dienern in schwarzen Anzügen, alarmiert von Miss Nettlefolds gequältem Auf
schrei. Überragt von einem kerzengeraden Mr Osborne, schwebten sie wie Krähen über der korpulenten Gestalt, die auf dem Kiesweg lag, unsicher, wie sie die komatöse Miss Nettlefold ins Haus schaffen sollten. In ihrem dicken Pelzmantel ähnelte sie einem Bären, der aus den immergrünen Rhododendronbüschen entlang der Auffahrt getappt und verwirrt zusammengebrochen war.
    Mr Osborne trat dicht an May heran und legte ihr nahe, auf der Stelle aufzubrechen. Nach einem theatralischen Räuspern fügte er hinzu: »Und entfernen Sie das Mordinstrument, ehe Miss Nettlefold das Bewusstsein wiedererlangt.«
    Als sie den Wagen langsam vom Haus weglenkte, waren im Rückspiegel unter einer karierten Decke gerade noch die Umrisse von Wiggles reglosem Leichnam auszumachen.

2
    Am folgenden Morgen stand May, die Chauffeursmütze in der Hand, in Sir Philip Blunts Arbeitszimmer in Cuckmere Park in Sussex. Er saß an seinem großen Mahagonischreibtisch und musterte seine Angestellte aufmerksam. May war am späten Vorabend zurückgekehrt und geradewegs, ohne mit jemandem zu sprechen, in ihr Schlafzimmer

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