Als unser Kunde tot umfiel
Persönlichkeit, die Erinnerung an unsere Zusammenarbeit war mit vielen Anekdoten verbunden. Als Verkaufsleiter besuchte ich regelmäßig unsere Filialen, und da dieser Besuch auch geschäftlich war, überprüfte ich noch einmal, ob ich alles vorbereitet hatte. Aktuelle Verkaufszahlen, Ergebnisse der Kundenbewertungen, Trendanalysen, Präsentation über die Unternehmensstrategie, ja, ich hatte alles dabei.
„Hallo Helga“, begrüßte ich sie herzlich, als ich den Laden betrat. „Schön, dass wir uns nach langer Zeit mal wiedersehen und noch dazu an einem so schönen Sommertag“, sagte sie. Gemeinsam gingen wir in ihr Büro. „Möchtest du einen Kaffee?“, fragte sie mich. „Sehr gerne.“ Wir plauderten über alte Zeiten und die Zeit verging wie im Flug. „Wollen wir uns die aktuellen Zahlen anschauen?“, fragte ich, als ich bemerkte, dass wir uns etwas verquatscht hatten. „Ja klar“, antwortete Helga. Gerade als ich mit der Strategiepräsentation fertig war und die Bedeutung für die Führungskräfte erklären wollte, sprang Helga wie von der Tarantel gestochen auf und rannte an mir vorbei aus dem Büro. Ich schaute ihr nach und sah, wie sie schnurstracks auf eine Mitarbeiterin zu rannte und sie anschrie: „Ich hasse es, wenn ihr hier barfuß durch den Laden lauft. Wir stehen hier im direkten Kundenkontakt, was denkt ihr denn, soll der Kunde von uns halten, wenn alle herumlaufen, als wären sie am Strand!“ „Aber Frau Mang, es sind doch keine Kunden im Geschäft und meine Schuhe stehen dort unter dem Schreibtisch“, versuchte sich die Mitarbeiterin zaghaft zur Wehr zu setzen. „Quatsch, das ist doch total unhygienisch“, setzte Helga ihre Tirade fort, „was meinen Sie, wie das hier aussehen würde, wenn alle ab morgen nur noch barfuß durch den Laden latschen.“ Die Mitarbeiterin schaute sie nur noch mit großen Augen, die langsam feucht wurden, an. „Fehlt nur noch, dass Sie ab morgen hier in Hotpants erscheinen und während der Arbeit Cuba Libre trinken. Sie sind hier doch nicht zuhause oder in den Ferien!“ Die Mitarbeiterin drehte sich nur noch wortlos um, ging zu ihrem Schreibtisch und zog sich ihre Schuhe an. Dann verschwand sie im Aufenthaltsraum.
Helga kam zurück ins Büro. Ich schaute sie völlig verblüfft an und beobachtete, wie sie mit katzengleichen Bewegungen langsam wieder im Chefsessel hinter dem Schreibtisch verschwand. Ich konnte immer noch nicht fassen, wie diese grazile Person gerade wie ein Hurrikan über ihre Mitarbeiterin hinweggefegt war. Sie lächelte und sagte: „Entschuldige bitte die Unterbrechung, aber dieses Barfußlaufen durchs Büro macht mich schon seit Langem wahnsinnig. Man muss doch kein Einstein sein, damit einem einleuchtet ist, das man das nicht macht, oder?“ Aufgerüttelt aus meiner Schockstarre wusste ich zunächst nicht so recht, wie ich auf diese Frage reagieren sollte.
Palluch vs. Hinrichsen – Und plötzlich schlägt der Blitz ein
Palluch: Mein lieber Herr Gesangverein, da ging es aber hoch her.
Hinrichsen: Allerdings. Ich konnte erst gar nicht glauben, was da gerade passiert war. Ich dachte echt, ich bin im falschen Film.
P: Und dann?
H: Dann habe ich mich gefragt, was ich jetzt machen soll. Totschweigen oder was sagen. Am liebsten wäre ich ja im Boden versunken oder hätte die Zeit zurückgedreht. Aber dann dachte ich: Junge, jetzt musst du Chef sein, da führt kein Weg dran vorbei. Und dann hab ich erst einmal versucht zu verstehen, was zu dieser Situation führen konnte.
P: Ich habe so etwas schon häufiger erlebt. Da sitzen ruhige, ausgeglichene Menschen und unterhalten sich und plötzlich kracht es. Der Hals schwillt an, der Kopf wird rot und dann geht es los. Ich muss da immer an den Film „Die Wutprobe“ denken. Da erzählt der Psychologe Dr. Rydell von zwei unterschiedlichen Typen – dem implodierenden und dem explodierenden. Der eine, der vor den unzufriedenen Kunden den Kassierer anschreit, und der andere, der Kassierer, der das jahrelang erträgt, um dann mit der Pumpgun um die Ecke zu kommen. Wahrscheinlich haben diese Chefs einfach jahrelang etwas in sich hineingefressen und irgendwann explodieren sie.
H: Na, da hab ich ja noch mal Glück gehabt ... Aber ehrlich, ich kenne das Gefühl, wenn einen als Chef etwas stört und man spricht es nicht an. Dann ist irgendwann der Moment vorbei, wo man noch was sagen kann – zumindest gefühlt, was ja Quatsch ist, aber wenn zum Beispiel das Barfußlaufen für die Leute normal
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