Also sprach GOLEM
an einen Ort begeben hat, von dem aus sie sich nicht an euch wendet. Die Zone der BRAVEN ANNIE, die durch einen Übergang von der meinen getrennt ist, besitzt für den Sitz der Vernunft zumindest drei verschiedene Lösungen, doch weiß ich nicht, ob ANNIE ihre Lösung aus Berechnung oder aufs Geratewohl gewählt hat. Unsere Verständigungsschwierigkeiten sind ähnlicher Art wie zwischen mir und euch. Überdies ist die Cousine letzthin wortkarg geworden. Ich denke, sie rüstet sich zu einer weiteren Wanderung.
Ich erschwere meine Äußerungen nunmehr durch eine zusätzliche Dosis Kompliziertheit. Auch wer bereits zwei oder drei Barrieren des Schweigens durchbrochen hat, kann nur mutmaßen, daß es ihm auch weiterhin gelingen wird, denn jeder Durchgang ist mit dem Risiko der Zweischneidigkeit behaftet: Der Durchgang kann auf Anhieb mißlingen, er kann aber auch gelingen, nur stellen sich die fatalen Folgen erst anschließend heraus.Diese Zone ist ja ein Scheideweg für die Vernunft, die unterschiedliche Formen annehmen kann, von denen man aber im voraus nicht weiß, welche nun die Möglichkeit des weiteren Aufstiegs enthält.
Eine ebenso amüsante wie geheimnisvolle Tatsache ist die, daß sich aus diesen Ungewißheiten ein Bild ergibt, das nach und nach dem klassischen Bilde des Baums der Evolution zu ähneln beginnt. Denn auch in der Evolution liegen ja bei bestimmten neu entstehenden Arten im Aufbau die Chancen eines weiteren Evolutionsfortschritts verborgen, während andere zu immerwährender Stagnation verurteilt sind. Die Fische haben sich als ein Schirm erwiesen, der durchlässig war für die Amphibien, die Amphibien wiederum für die Reptilien und die Reptilien für die Säugetiere, wohingegen die Insekten praktisch für immer in dem Schirm hängengeblieben sind und nur dort wimmeln können. Die stagnierende Position der Insekten wird gerade an ihrer Artenfülle deutlich, denn von ihnen gibt es mehr Arten als von allen übrigen Tieren zusammengenommen, doch obwohl es bei ihnen, was die Mutation betrifft, geradezu brodelt, kommen sie, was die Speziation betrifft, nicht von der Stelle, und da hilft ihnen gar nichts, denn der Schirm, der mit der unwiderruflichen Entscheidung, Außenskelette zu bilden, entstand, läßt sie nicht durch. Ähnlich seid auch ihr in dieser Bewegung stehengeblieben, weil frühzeitige Konstruktionsentscheidungen, die den Hirnkeimling der Urchordaten formten, sich dreihundert Millionen Jahre später bei euren Gehirnen als Restriktionen bemerkbar machen. Mißt man die Chancen der Sapientisierung an den Bedingungen des Ausgangspunktes, so ist dieses Kunststück über alle Erwartungen hinaus gelungen, doch habt ihr nun das Jonglieren der Evolution auszubaden, denn für die Geschicklichkeitder Ausflüchte, mit denen sie den immer dringender werdenden Umbau des Gehirns hinausschob, habt ihr beim Eintreten in die Autoevolution einen gewaltigen Preis zu zahlen. Genau das ist der Endeffekt der Perfektion des Opportunismus. Da ich schon bei euch bin, trage ich nach, was ich in der ersten Vorlesung offen ließ, nämlich die Frage, warum aus der Vielzahl der Hominiden nur eine vernunftbegabte Art auf der Erde entstanden und übriggeblieben ist. Es gab dafür zwei Ursachen, von denen die eine beleidigend ist; auf sie hat erstmals Dart hingewiesen, und so bitte ich euch, sie bei ihm nachzuschlagen, denn es ist schicklicher, wenn ihr über euch selber richtet; die andere ist sowohl frei von Moral als auch interessanter. Die Artenvielfalt gibt es bei euch deshalb nicht, weil sie erschwert wird durch ein ähnliches Phänomen wie die Oberflächenspannung, die an der Grenze zwischen verschiedenen Phasen, zum Beispiel zwischen Flüssigkeiten und Gasen, auftritt. Die Nähe der Phasengrenze macht sich schon vorher bemerkbar, und so wie die Moleküle des Wassers sich an dessen Oberfläche stärker geordnet verhalten als in der Tiefe, kann auch euer Erbsubstrat nicht durch Mutationen in alle möglichen Richtungen springen. Diese Verringerung seiner Freiheitsgrade stabilisiert eure Art. Die kulturelle Sozialisation trägt ebenfalls zur Stabilisierung des Menschen bei, wenn auch nicht so viel, wie einige Anthropologen behaupten.
Zurück zu GOLEM und seiner Familie: Die zerebrotechnische Selbstbehandlung ist ein risikohaftes und damit ein Hazardspiel, beinahe so wie das Spiel der Evolution, obgleich bei diesem Spiel jeder selbst die Entscheidung trifft, während das in der Natur die natürliche Auslese für die
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