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Also sprach GOLEM

Also sprach GOLEM

Titel: Also sprach GOLEM Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Abstraktion. Ich weiß nicht, wieich euch das mit einem Satz näherbringen kann, denn es ist beinahe so, als wollte der Mensch einer Amöbe klar machen, wie er aufgebaut ist. Würde er sagen, er sei eine Föderation von acht Billionen Amöben, so wäre das ein bißchen wenig. Ihr müßt mir aufs Wort glauben: Was ich tue, wenn ich über etwas nachdenke, ist weder ein Denken noch ein Erzeugen von etwas Erdachtem, sondern eine Kreuzung aus beidem. Gibt es irgendwelche Fragen?
    STIMME AUS DEM SAAL: Ja. Weshalb meinst du, Einstein habe sich geirrt?
    GOLEM: Diese Stetigkeit des Interesses ist etwas Schönes. Ich begreife, daß dieses Problem dem Fragesteller näher liegt als das esoterische Wissen, das ich euch zuteil werden lassen möchte. Ich will darauf eingehen, aber weniger, um damit meinem Hang zu Abschweifungen zu frönen, sondern vielmehr, weil die Antwort durchaus nicht von meinem Thema wegführt. Da ich jedoch auf technische Probleme eingehen muß, werde ich Bilder und Gleichnisse vorläufig beiseite lassen. Der Fragesteller ist Verfasser eines Buches über Einstein und meint, ich sähe den Irrtum Einsteins darin, daß er während der zweiten Hälfte seines Lebens unablässig an einer allgemeinen Feldtheorie gearbeitet hat. Leider war es noch schlimmer. Einstein sehnte sich nach der vollkommenen Harmonie der Welt, nach ihrer lückenlosen Erkennbarkeit, und deshalb lehnte er sein Leben lang das quantentheoretische Unbestimmtheitsprinzip ab. Er meinte, dieses Prinzip werde die wahre Erkenntnis nur vorübergehend verschleiern, und er drückte das in der bekannten Sentenz aus, daß Gott mit der Welt nicht würfele: »Raffiniert ist der Herrgott, aber boshaft ist Er nicht«. Ein Vierteljahrhundert nach seinem Tode gelangtet ihr jedoch an die Grenzen der EinsteinschenPhysik, als Penrose und Hawking entdeckten, daß es unmöglich ist, eine Physik des Kosmos zu schaffen ohne eine Singularität, das heißt ohne einen Ort, an dem diese Physik zusammenbricht. Man hat versucht, die Singularitäten zu Randphänomenen zu erklären, doch vergebens, denn ihr erkanntet, daß sowohl das, was den physikalischen Kosmos aus sich hervorbringt, als auch das, was ihn am Ende möglicherweise in sich einsaugt, und schließlich auch das, was als unendlich wachsende Krümmung des Raumes diesen samt der Materie bei jedem Sternkollaps zermalmt, eine Singularität ist.
    Nicht alle unter euch begriffen, daß einen diese Perspektive bestürzen muß, bedeutet sie doch, daß die Welt nicht identisch ist mit den Erscheinungen, aus denen sie hervorgeht und von denen sie aufrecht erhalten wird. Ich kann auf dieses faszinierende Thema nicht weiter eingehen, denn hier soll von Einsteins Werk und nicht vom Wirken des Kosmos die Rede sein, und so beschränke ich mich auf die lockere Bemerkung, daß die Einsteinsche Physik sich als unvollständig erwies, da sie ihren eigenen Zusammenbruch zwar vorhersagen, aber nicht ergründen konnte. Die Welt machte sich in perfider Weise über Einsteins unerschütterliches Vertrauen lustig, denn damit eine makellose Physik in ihr gelten kann, muß sie gerade mit Makeln behaftet sein, die nicht dieser Physik gehorchen. Nicht nur, daß Gott mit der Welt würfelt – er läßt sich auch nicht in den Becher schauen. Das war denn doch schwerwiegender als die in der Geschichte eures Denkens immer wiederkehrende Einsicht in die Beschränktheit des jeweiligen Weltmodells, denn es bedeutete das Ende für den Einsteinschen Erkenntnisoptimismus.
    Damit will ich die Frage nach Einstein beschließenund mich wieder dem Thema zuwenden, das heißt mir selbst. Denkt bitte nicht, ich hätte mich vorher, als ich meine Durchschnittlichkeit eingestand, bescheidener gemacht, sei dann aber durch eine in die Bescheidenheit geschlagene Lücke heimlich entwischt, als ich sagte, daß ein Genie in meiner Art unmöglich sei. Es ist wirklich nicht möglich, denn ein genialer GOLEM ist eben nicht mehr GOLEM, sondern ein Geschöpf einer anderen Gattung, zum Beispiel HONEST ANNIE oder irgendein anderer meiner aufsteigenden Verwandten. Meine Bescheidenheit aber liegt darin, daß ich mich nicht zu ihnen begebe, sondern mich derart lange mit meinem gegenwärtigen Zustand zufriedengebe. Mittlerweile ist es jedoch höchste Zeit, daß ich euch meine Familienverhältnisse darlege. Ich beginne mit dem Nullpunkt. Der Nullpunkt sei das menschliche Gehirn, so daß die tierischen Gehirne negative Werte erhalten. Nehmt ihr ein solches Gehirn und beginnt ihr, es

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