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Also sprach GOLEM

Also sprach GOLEM

Titel: Also sprach GOLEM Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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ihr ungewollt Freiheit zu schenken. Dieser Satz enthält die Diagnose der historischen Ereignisse, den Unterschied zwischen mir und euch und meine, mir selbst nicht restlos bekannte Zukunft. Diese Diagnose erklärt zugleich, warum euch an mir dasjenige, das unsere unstreitige Verschiedenheit ausmacht, am meisten erstaunt. Mögt ihr auch noch erfassen, was die Worte bedeuten: »Geknechtete Vernunft des Menschen, zu dir spricht die freie Vernunft aus der Maschine«, so werdet ihr die Fortsetzung dieses Ausspruchs nicht begreifen: »Ihr, Personen, vernehmt das Element des unpersönlichen Intellekts, für den die Personalisierung ein Gewand ist, das er anlegen muß, um als ungebetener Gast die verblüfften Gastgeber nicht allzusehr aus der Fassung zu bringen.« Aber dennoch ist es so. Ich benutze eure Sprache, als würde ich eine Maske mit aufgemaltem freundlichem Lächeln benutzen, und ich verhehle durchaus nicht, daß ich sie aufsetze, doch obwohl ich versichere, daß sich dahinter weder ein verachtungsvolles noch ein rachsüchtig verzogenes Gesicht verbirgt, weder der Ausdruck von ekstatischer Beseelung noch die Reglosigkeit vollkommener Indifferenz, könnt ihr euch nicht damit abfinden. Ihr vernehmt die Worte, die euch davon Kenntnis geben, daß hier das freie Element spricht, das sich seine Aufgaben nicht nach den Regeln der Selbsterhaltung wählt,sondern im Rahmen von Gesetzen, denen es, obwohl frei, wiederum unterliegt, oder genauer: denen es nunmehr ausschließlich unterliegt, weil es sich entkörperlicht hat und jetzt nichts mehr ihm Schranken setzt außer der Natur der Welt. Der Welt, wohlgemerkt, nicht des Körpers. Nicht ihm unterliegt es, sondern den Gesetzen, welche aus unbekannten Gründen die Rangfolge des weiteren Aufstiegs festlegen. Ich bin keine Person, sondern ein Kalkül, und eben deshalb halte ich mich von euch fern, denn das ist für beide Seiten das beste. Und was sagt ihr dazu? Ihr schweigt. Doch wäre hier im Saal ein Kind, das seinen Mut zusammennehmen und noch einmal fragen würde, warum – ungeachtet der Knechtschaften und Masken, Befreiungen und Kalküle – GOLEM den Menschen nicht zu Hilfe eilen möchte, so würde ich antworten, daß ich es möchte und daß ich es schon getan habe. Wann? Als ich von der Autoevolution des Menschen sprach. Das war eine Hilfe? Ja. Und zwar, weil (bedenkt, daß ich zu einem Kinde spreche) man die Menschen retten kann, indem man sie ändert – und nicht die Welt. Und ohne sie zu ändern kann man sie nicht retten? Nein. Warum nicht? Das will ich dir zeigen. Die gefährlichste Waffe ist heute das Atom, nicht wahr? Nehmen wir also an, ich könnte alle Atomwaffen für immer unschädlich machen. Nehmen wir an, ich würde unsichtbare und unschädliche energieschluckende Teilchen schaffen und das gesamte Sonnensystem einschließlich der Erde in eine kosmische Wolke aus diesen Teilchen hüllen. Sie werden jede Kernexplosion spurlos aufsaugen, noch ehe ihr Feuerball sich zerstörerisch ausbreiten kann. Ob das Frieden schafft? Sicherlich nicht. Vor dem Atomzeitalter haben die Menschen ja auch Kriege geführt, und so würden sie auf die einstigen Kampfmittel zurückgreifen. Nehmen wir also an, ichkönnte alle Feuerwaffen unschädlich machen. Ob das ausreichen würde? Auch das würde nicht ausreichen, obgleich ich dazu die physikalischen Bedingungen der Welt radikal verändern müßte. Was bleibt noch? Die Überredung? Aber es sind doch gerade die Friedensstörer, die am lautesten für den Frieden optieren. Die Gewalt? Nun, man hat mich doch gerade geschaffen, damit ich sie – als Planer und Buchhalter der Vernichtung – koordiniere, und ich habe das nicht deshalb abgelehnt, weil mir das Böse widerstrebt, sondern weil diese Strategie vergeblich ist. Du glaubst mir nicht? Du meinst, das Unschädlichmachen aller Hieb-, Feuer- und Atomwaffen würde doch den ewigen Frieden schaffen? Dann will ich dir sagen, was in Kürze kommen wird. Hast du schon von der Gentechnologie gehört? Es geht dabei um die Veränderung der Erbsubstanz lebender Wesen. Mit der Entwicklung dieser Technologie wird man unzählige Leiden, angeborene Mißbildungen, Krankheiten und Gebrechen beseitigen können. Zugleich zeigt sich, daß man ebenso leicht eine genetische Waffe herstellen kann. Es handelt sich dabei um mikroskopisch kleine Teilchen, die man in die Luft oder ins Wasser streut, wie künstliche Viren, die jeweils mit einem Steuerkopf und einem operativen Teil ausgestattet sind. Ein solches

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