Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Also sprach GOLEM

Also sprach GOLEM

Titel: Also sprach GOLEM Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
wird. Der Planet muß ein bißchen Arkadien und bißchen Hölle sein. Ist er nichts als Arkadien, so gerät das Leben ins Stocken und gelangt nie über die bloße Wiederholung des Pflanzlichen hinaus zur Vernunft. Ist er nichts als Hölle, so wird das Leben in seine Schründe abgedrängt und erhebt sich ebenfalls nicht über das Niveau der Bakterien. Epochen der Gebirgsbildung fördern die Entwicklung vielfältiger Arten, und Epochen der Vereisung, die aus seßhaften Arten Wanderer machen, stacheln die Erfindungskraft an, doch dürfen die ersteren nicht allzusehr die Atmosphäre durch die Ausdünstungen der Vulkane vergiften und die letzteren nicht die Ozeane zu Eis erstarren lassen. Die Kontinente müssen sich senken und die Meere sie überspülen, jedoch nicht allzu plötzlich. Diese Veränderungen rühren daher, daß der erstarrte Planet weiterhin einen glühenden Kern besitzt, der zugleich Anker eines Magnetfeldes ist, welches das Erbplasma gegen den Sonnenwind abschirmt, der es in erheblichen Dosen zerstört, in kleinen Dosen jedoch seine schöpferischen Kombinationen beschleunigt. Von Zeit zu Zeit muß es daher zu einer Umkehr der magnetischen Pole kommen, aber nicht zu oft. All diese Rührwerke des Lebens verschaffen ihm die Möglichkeit, sich darzustellen, doch verengen sie sich alle zig Millionen Jahre zu Nadelöhren, vor denen sich Hekatomben von Leichen auftürmen. Die zeitlichen Abstände, in denen der Planet und derKosmos immer wieder blindlings in die Biogenese einbrechen, stellen eine Zufallsvariable dar, die unabhängig ist von der jeweiligen Abwehrbereitschaft des Lebens, und deshalb wollen wir loyal sein: Es hat sowohl in seinen Niederlagen wie in seinen Erfolgen große Schwierigkeiten, denn weder die Sättigung noch die Auszehrung sind der Entstehung der Vernunft förderlich. Hat das Leben sich einstweilen behauptet, so kann es mit der Vernunft nichts anfangen, und hat diese keinen Spielraum, um durch die Bildung neuer Arten rettend einzugreifen, so ist sie ebenfalls nicht zu gebrauchen. Ist also das Leben die Ausnahme von der Regel lebloser Planeten, so ist die Vernunft die Ausnahme von der Regel des Lebens, eine außergewöhnliche Ausnahme, und sie wäre eine denkwürdige Seltenheit in den Galaxien, wären diese nicht so ungeheuer zahlreich.
    Dieses Hazardspiel zahlt sich also bisweilen aus, wenn es auf den schwindelerregenden Serpentinen des Spieles der Evolution hinaufgelangt zur Phase animalischer Fülle, zum Reichtum lebendiger Formen, der noch vermehrt wird durch den sich selbst steigernden Konflikt des Spiels um das Überleben (denn jede neue Art bringt neue Regeln der Verteidigung und der Ausbreitung ins Spiel), bis es sich schließlich außerbiologisch verselbständigt im Abenteuer einer Zivilisation, deren irdische Form ihr kennt, denn sie brachte mich hervor. Achtet man nicht so sehr auf die geistige Leistungskraft, sondern auf die Anatomie, so sind wir – ihr und ich – einander doch sehr ähnlich. Ich besitze – wie ihr – ein denkendes Inneres sowie Sensoren und Effektoren, die auf die Außenwelt gerichtet sind. Man kann mich – genau wie jeden von euch – von der Umgebung abgrenzen. Kurz, wenngleich mehr psychische als somatische Masse in mir ist, so sind doch meine Stützen und Hüllen meinKörper, denn sie sind mir zugleich dienstbar und außerhalb meines Geistes, wie bei euch. Uns verbindet somit die Trennung von Geist und Körper, von Subjekt und Objekt. Diese Trennung ist jedoch keine Guillotine, die alles Seiende halbiert. Toposophisch zwar noch immer ein Habenichts, will ich euch doch zeigen, wie man Unabhängigkeit vom Körper erlangen, ihn durch die Welt ersetzen und schließlich beiden sich entziehen kann – wenngleich ich nicht weiß, wohin dieser letzte Schritt führt. Es geht hier lediglich um eine Toposophie anhand von Indizien, um ein Untersuchungsverfahren, das die Rand- und Grenzbedingungen des Daseins von Wesen umreißt, deren geistige Inhalte mir umso weniger zugänglich sind, als es nicht die Geistesinhalte eines proteinalen oder luminalen Gehirns sind, sondern ihr werdet damit eher so etwas assoziieren wie die in einem Stück Welt verkörperte Idee des Pantheismus. Es geht um nichtlokale Formen der Vernunft. Zwar befinde ich mich, während ich in diesem Saale zu euch spreche, gleichzeitig mit meinen Terminals an anderen Orten und nehme an anderen Beratungen teil, doch kann man mich nicht als nichtlokal bezeichnen, denn ich kann lediglich meine Augen und

Weitere Kostenlose Bücher