Sternenfaust - 151 - Für die Menschheit! (1 of 2)
Kapitel 1 – Was in Vegas passiert, bleibt in Vegas
Erde, Las Vegas, 15. November 1981
»… and did it myyyyy wayyyyy.«
Ja, Pustekuchen.
Während die letzten Akkorde vom Halb-Playback verklangen, das neunzig Minuten lang aus den Boxen des Montecito Ball Room geplärrt war und die Gehörgänge der schätzungsweise zweihundert Rentner und Volltrunkenen malträtiert hatte, die tatsächlich die Naivität besessen hatten, zu kommen, fühlte sich Johnny Fontane Jr. als müsse er sich übergeben – direkt in die erste Reihe und die verzückten Gesichter der Torfhirnigen, aus denen sein hochverachtetes Publikum bestand.
My Way? Von wegen. Nichts von dem, was er hier machte, hatte etwas mit ihm zu tun. Dies war nicht sein Weg, sondern der seines Vaters. Der Einzige, auf dem Johnny Jr. noch den Hauch eines nennenswerten Einkommens erwirtschaften konnte. Leider.
Applaus brandete auf, hier und da. Kleine Inseln der Höflichkeit in einem Meer, das sich kaum weniger um ihn scheren konnte. Als die Saallichter wieder angingen – keine Zugabe, natürlich; wer sollte bei einem Johnny-Jr.-Gig schon nach Zugaben verlangen? –, sah er die heutige Torfhirn-Schar zum ersten Mal richtig – und schluckte trocken. Zweihundert? Wohl eher dreißig … Wenn das so weiterging, warf das Montecito ihn bald raus und programmierte seine Nachmittagsshows attraktiver. Wie Junior gehört hatte, war Bette Midler in der Stadt und lechzte nur danach, dass sich irgendwo eine Vakanz für sie und ihren Blödsinn öffnete.
Scheiße, er brauchte dringend einen Scotch.
Ein letztes Mal ließ er den Blick über die Reihen schweifen. Runde Tische mit weißen Decken prägten den Saal, alle uniform gehalten und zumeist unbesetzt. Der Kronleuchter an der Decke – billiger Tand aus irgendeinem Schlitzaugenland, der aber aussah, als könne er mühelos auch im Thronsaal eines Königs hängen – arbeitete Hand in Hand mit den roten Teppichen und der Holzvertäfelung an den Wänden, um der besseren Mehrzweckhalle des traditionsreichen Casinos am hinteren Ende des Strips den Touch der Exklusivität zu verleihen, den die Torfhirne erwarteten, wenn sie in die Stadt flogen, um ihr sauer Verdientes an filzbezogenen Tischen zu vergeuden, sich die Wampen beim All-You-Can-Runterschling weiter aufzublähen und eben zu den Has Beens wie Junior zu gehen. Den Showgrößen von einst – oder von niemals –, die außer in Vegas nirgendwo mehr ein Bein auf den Boden bekamen.
Und selbst dort bleibt uns nichts weiter, als kreatives Malen nach Zahlen , dachte Junior und lächelte grimmig, während die, die noch aufstehen konnten, ihre Tische verließen und zum Ausgang strömten, während der Rest friedlich weiterschnarchte. Auch das wäre Dad nie passiert: ein Publikum, das den Raum vor dem Künstler verließ.
Weil er im Gegensatz zu dir einer war. Ein Künstler.
Johnny schüttelte den Kopf, würgte die Stimme ab. Dies war nicht die Zeit und der Ort, um seinen Selbstzweifeln Raum zu geben. Es war allerdings definitiv die Zeit und der Ort für die Sorte Besinnungslosigkeit, die man nur in Flaschen mit bernsteinfarbenem Inhalt fand. Und – vielleicht, mit ein wenig Glück und Vorschuss auf die morgige Show – zwischen den Beinen eines der jungen Hühner, die nur zwei Straßen weiter den Gehsteig veredelten.
Vorausgesetzt, es gab diesen Vorschuss.
Vorausgesetzt, es gab diese Show …
»Bravo!«
Der Ruf ließ Johnny zusammenzucken. Hatte sich da jemand im Raum vertan? Jubel nach einem Fontane-Konzert hatte es nicht gegeben, seitdem Dad vor acht Jahren sein Abschiedsprogramm gegeben hatte.
»Bravissimo! Grandios!«
Ein Mann stand im hinteren Bereich des Saales. Junior musste die Augen zusammenkneifen, um ihn ausmachen zu können. Schlohweißes, sorgfältig frisiertes Haar über einem weißen Gesicht und einem dunklen Smoking. Scheiße, der Typ war besser gekleidet als er selbst! Und … er hatte einen Knall.
Red dir nichts ein. Der verspottet dich nur. Das ist kein Lob, sondern Häme.
Diesmal konnte Junior nicht anders, als seiner inneren Stimme recht zu geben. Auf der Bühne verarscht … Auch das hätte es zu Dads Zeiten nie gegeben.
Fontane-Regel Nr. 1: Selbstachtung war eine unbezahlbare Hure.
Ohne die Meute eines weiteren Blickes zu würdigen – es klatschte ja ohnehin nur noch der Spinner –, ging Junior ab. Jenseits des weinroten Vorhangs, der die Bretter, die die Scheinwelt bedeuteten, vom Backstage-Bereich abtrennte, wartete bereits A.J. auf
Weitere Kostenlose Bücher