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Alta moda

Alta moda

Titel: Alta moda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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fluchend mit einem so brutalen Fußtritt, daß ich den Schmerz durch den Stiefel hindurch spürte. Außerdem verlor ich vollends das Gleichgewicht und stürzte. Jemand riß mich an den Haaren hoch.
    »Auf, auf, Contessina! Vorwärts, marsch.«
    Als ich hochkam, verspürte ich plötzlich einen schmerzhaften Druck auf die Blase, gegen den ich, ob unter dem Einfluß der Kälte oder der Nachwirkungen der Narkose, einfach machtlos war.
    »Ich muß mal austreten.«
    Sie schubsten mich seitwärts. »Dann mach zu!«
    Der Mantel war mir im Weg, außerdem trug ich eine Hose mit seitlichem Reißverschluß. »Es geht nicht! Meine Hände!«
    Da banden sie mich los, doch es war zu spät. Ich hatte mich schon naß gemacht, und ins Gras ging wohl bloß noch die Hälfte. Ich fror erbärmlich in den naßgepinkelten Hosen. Was immer die mit mir vorhaben, ich werde es nicht überleben, dachte ich. Und es sind nicht Fußtritte und Schläge, was mich umbringen wird, sondern Erniedrigungen wie diese. Allein, der Aufstieg war so beschwerlich, daß ich mich ganz darauf konzentrieren mußte, das Gleichgewicht zu halten, und als ich langsam wieder Tritt gefaßt und in meinen Rhythmus zurückgefunden hatte, da hatte die Körpertemperatur die nassen Stellen erwärmt, und sie fingen allmählich an zu trocknen. Sicher klingt das merkwürdig, vielleicht sogar verrückt, aber ich weiß noch, daß ich mich inmitten von Furcht und Verzweiflung mit der stereotypen Elternfrage hänselte: ›Hättest du nicht zu Hause noch mal aufs Klo gehen können?‹ Beinahe hätte ich einen Lachanfall bekommen, aber das waren wohl nur meine überreizten Nerven. Die Kinder… Ich kann’s kaum erwarten, sie in die Arme zu schließen. Wie lange wird es wohl noch dauern?
    Wir verbrachten die Nacht in einer unterirdischen Höhle. Ich mußte eine ziemliche Strecke weit kriechen, bis wir in einen Raum kamen, in dem man sitzen oder knien, aber nicht aufrecht stehen konnte. Schon im Knien stieß ich mit dem Kopf gegen die Decke.
    »Faß nach rechts. Da liegt eine Matratze.«
    Ich konnte sie nicht nur ertasten, sondern auch riechen.
    »Kriech da rauf und leg dich auf den Rücken. Und jetzt faß hinter deinen Kopf und hol dir, was da steht.«
    Eine Flasche Wasser, eine Bettpfanne, beide aus Plastik, und eine Rolle Toilettenpapier.
    »Streck die rechte Hand aus.« Ich fühlte, wie man mir eine Kette ums Handgelenk schlang, und hörte ein Vorhängeschloß einrasten. Dann glitt die schwere Kette der Länge nach an meinem linken Bein hinab, wurde um den Fuß geschlungen und mit einem weiteren Schloß gesichert, ehe das Kettenende klirrend irgendwo in der Höhe befestigt wurde. Wahrscheinlich an einem Eisendübel in der Mauer. Aber warum fesselten sie mich so eng? Was hätte ich anstellen, wohin hätte ich fliehen können, wenn sie mir ein bißchen mehr Bewegungsfreiheit gewährt hätten? Bestimmt gab es keinen Grund, mir dermaßen das Blut abzuschnüren.
    »Streck die linke Hand aus.«
    Er legte etwas hinein. Es war kalt und feucht und schwer und fühlte sich an wie tot. Mich schauderte. Aber er schloß meine Hand darüber, führte sie zum Mund, so dicht, daß mir der Nikotingeruch seiner Finger in die Nase stieg, und sagte: »Iß!«
    Es war ein Stück Fleisch, gekochtes Huhn vielleicht, weil es sich gar so feucht und glitschig anfühlte. Und es roch stark nach Knoblauch. Ich bin Vegetarierin, aber ich hütete mich schon damals vor Einwänden, die mit Sicherheit nur neuerliche Schläge und Beschimpfungen provoziert hätten. Und wenn ich überleben wollte, blieb mir ja auch gar nichts anderes übrig, als zu essen, was ich vorgesetzt bekam. Also biß ich ein Stück von dem kalten, glibbrigen Fleisch ab und zwang mich zu kauen. Ich nahm noch einen Happen, kaute darauf herum, brachte aber nichts hinunter. Ich gab mir alle Mühe, doch ich konnte keinen Speichel sammeln, und der Versuch, das Fleisch trocken hinunterzuwürgen, erzeugte nur Brechreiz.
    »Verzeihung. Es tut mir wirklich leid. Aber ich kann nicht schlucken. Es liegt nicht am Essen – das schmeckt sehr gut –, vielleicht kommt’s von dem Chloroform. Es geht einfach nicht. Bitte, entschuldigen Sie.« Wie ein Gast auf einer Dinnerparty, der dankend die zweite Portion ablehnt: »Ich kann beim besten Willen nicht mehr, aber es hat vorzüglich geschmeckt… Nein, leider, es geht wirklich nicht…« Ich mußte lange warten, bevor ich wieder etwas zu essen bekam, aber in dem Moment konnte ich mich einfach nicht überwinden. Der

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