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Alta moda

Alta moda

Titel: Alta moda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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daß Leo sie verstehen und zweifelsfrei mit mir identifizieren würde… Ich suchte mir dazu eine Stelle ganz tief unten, die ich mit ein paar aufgeschichteten Steinen verdecken konnte.
    »Hinlegen!« Ich erstarrte.
    »Mit dem Gesicht nach unten, auf die Matratze!« Ich gehorchte, und gleich darauf kam jemand in die Höhle gekrochen.
    Er hob meinen Kopf an, ich hörte, wie etwas angeschnitten und auseinandergerissen wurde.
    Ich bekam ein großes Pflaster auf jedes Auge und darüber einen breiten, von Schläfe zu Schläfe reichenden Klebestreifen, der über der Nase sorgsam angedrückt wurde. Es war nicht der Nikotinfingrige, der das besorgte. Vielmehr erkannte ich an der Stimme den, der im Auto »Ich hafte für die Ware!« gebrüllt hatte. Ich versuchte, seine Hand zu ertasten, von deren Größe ich mir Rückschlüsse auf die Statur des Mannes erhoffte, doch er versetzte mir einen Schlag, der mich mit dem Gesicht nach unten auf die Matratze taumeln ließ.
    »Keine faulen Tricks! Und du rührst dich nur auf Befehl, verstanden? Und wenn du weißt, was gut für dich ist, dann verkneifst du dir das Flennen. Das brennt sonst unter den Pflastern wie der Teufel.«
    Die verstanden ihr Handwerk. Als er mir die Kette abnahm, hätte ich mich gern umgedreht, um mir das taube Handgelenk und den eingeschlafenen Fuß zu massieren, aber ich wagte nicht mehr, mich unaufgefordert zu rühren.
    »Runter vom Bett. Auf alle viere und mir nach.«
    Ich kroch hinter ihm her zum Ausgang. Vor der Höhle zerrte man mich unsanft auf die Füße. Der eisige Wind blies mir mit solcher Macht entgegen, daß ich fast das Gleichgewicht verloren hätte. Doch obwohl der scharfe Luftzug mir prickelnd ins Gesicht schnitt, hörte ich das leise grollende Ächzen der Windböen wie aus weiter Ferne. Mir war, als stünde ich auf einer schier endlos weiten, freien Fläche. Die Luft roch nach Schnee, und trotz des Pflasters spürte ich gleißende Helligkeit.
    »Gottverdammter Mist!«
    »Und was jetzt?«
    »Halt’s Maul, du!«
    Der Mann, der angeblich das Kommando führte, klang wütend oder vielmehr so, als hätte er einen panischen Schrecken bekommen. Seine Stimme erkannte ich auf Anhieb, aber von wem das ›Und was jetzt?‹ kam, wußte ich nicht genau. Vielleicht war es der Fahrer von gestern abend? Der hatte im Auto nicht gesprochen. Beide Stimmen hatten unverkennbar einen Florentiner Akzent, hart und spröde.
    »Sie haben sich geirrt, nicht wahr? Sie wollten gar nicht mich – ich bin nicht reich genug…«
    Ein brutaler Schlag ins Gesicht. »Maul halten, Dämchen! Die linke Hand her.« Ich streckte sie aus. »Fühl das – fühlen, hab ich gesagt! Nicht festklammern wie ein nasser Sack. Du sollst nur im Gehen Handkontakt halten. Wenn er stehenbleibt, gilt das auch für dich. Und wenn er weitergeht, genauso. Los jetzt!« Damit versetzte er mir einen Stoß ins Kreuz, wahrscheinlich mit einem Gewehrlauf.
    Ich ertastete die grobe Leinwand eines Rucksacks, den mein Vordermann geschultert hatte, und versuchte gehorsam ihn im Gehen ganz leicht mit der Hand zu berühren. Unter meinen Sohlen knirschte Schnee, und ich ahnte, daß wir uns in großer Höhe befanden – nicht nur, weil Schnee lag, sondern auch weil das gedämpfte Heulen des Windes von weit unten heraufdrang, statt daß es von oben gekommen wäre. Wir folgten einem steinigen Pfad, der rechter Hand hart am Rand eines schroffen Abhangs entlangführte, und weil der Weg sehr schmal war und meine Stiefel für solch unebenen Grund nicht das geeignete Profil hatten, wurde mir jeder Buckel, der aus dem Pulverschnee herausragte, zum Stolperstein. Wie hätte ich mich da nicht haltsuchend an den Rucksack klammern sollen, als ich ausglitt?
    Mein Vordermann bestrafte mich umgehend mit einem Fußtritt. »Zerr nicht so an mir, dummes Luder!« Der hinter mir richtete mich wieder auf und stupste mich ins Kreuz.
    »Hoch mit dir! Aber häng dich nicht an den Rucksack und markier keinen Sturz, bloß um einen von uns betatschen zu können, sonst kriegst du damit eins in die Visage.« Und er stieß mir den Gewehrlauf gegen die Wange. Dann führte er meine Hand wieder an den Rucksack. »Vorwärts!«
    Ich war nicht absichtlich gestolpert, bestimmt nicht! Aber aus Angst vor neuerlichen Schlägen wagte ich nicht, mich zu verteidigen. Dabei drängte es mich, sie anzusprechen und zu fragen, warum sie mir das antaten. Obwohl ich doch für ihre Zwecke gar nicht genug Geld hatte. Warum hatten sie sich keinen reichen Erben ausgesucht,

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