Alte Meister: Komödie (German Edition)
strikt verboten ist, sie verberge vor ihm in ihrer außergewöhnlich großen, im Museum ja verbotenen Handtasche einen Fotoapparat,habe er zuerst gedacht, erst später, daß sie ganz einfach völlig erschöpft gewesen war. Die Leute begehen in den Museen ja immer den Fehler, daß sie sich zuviel vornehmen, daß sie alles sehen wollen, so gehen sie und gehen sie und schauen und schauen und brechen dann plötzlich, weil sie sich ganz einfach an Kunst überfressen haben, zusammen. So auch meine spätere Frau, die Irrsigler am Arm genommen und in den Bordone-Saal hineingeführt hat, wie wir später festgestellt hatten, auf die liebenswürdigste Weise, so Reger. Der Kunstlaie geht in das Museum und vergraust es sich durch das Zuviel, sagte Reger. Aber natürlich kann kein Ratschlag gegeben werden, was den Museumsbesuch betrifft. Der Kenner geht in das Museum, um höchstens ein Bild in Augenschein zu nehmen, eine Statue, einen Gegenstand, sagte Reger, er geht in das Museum, um einen Veronese, um einen Velázquez anzuschauen, zu begutachten, sagte Reger. Diese Kunstkenner sind mir aber alle zutiefst zuwider, sagte Reger, sie gehen geradeaus auf ein einziges Kunstwerk zu und überprüfen es auf ihre schamlose skrupellose Weise und gehen wieder aus dem Museum hinaus, ich hasse diese Leute, sagte Reger. Umgekehrt dreht es mir auch den Magen um, wenn ich den Laien im Museum sehe, wie er alles kritiklos in sich hineinfrißt, an einem einzigen Vormittag möglicherweise die ganze Abendländische Malkunst, was wir ja tagtäglich hier erleben. Meine Frau hatte an dem Tag, an dem ich sie kennengelernt habe, einen sogenannten Gewissenskonflikt, sie wußte, mehrere Stunden durch die Innere Stadt laufend, nicht, ob sie sich bei der Firma Braun einen Mantel oder bei der Firma Knize ein Kostüm kaufen solle. So zwischen der Firma Braun und der Firma Knize hin- und hergerissen, entschied sie sich schließlich, weder bei der Firma Braun einen Mantel, noch bei der Firma Knize ein Kostüm zu kaufen und statt dessen das Kunsthistorische Museum aufzusuchen, in welchem sie bis zu diesem Zeitpunkt nur einmal in ihrem Leben gewesen war, in ihrer frühen Kindheit ander Hand ihres Vaters, der ein sehr kunstsinniger Mann gewesen war. Irrsigler ist sich natürlich seiner Funktion als Ehestifter bewußt, sagte Reger. Wenn Irrsigler eine ganz andere Frau in den Bordone-Saal geführt hätte, denke ich oft, sagte Reger, eine ganz andere Frau, wiederholte Reger, eine Engländerin oder eine Französin, nicht auszudenken , sagte er. Wir sitzen von allen guten Geistern verlassen auf dieser Bank, sagte Reger, und sind mehr oder weniger die Deprimation selbst, die Hoffnungslosigkeit, meinte Reger, und es wird uns eine Frau neben uns gesetzt und wir heiraten sie und sind gerettet. Millionen Eheleute haben sich auf einer Bank kennengelernt, sagte Reger, diese Tatsache ist ja eine der abgeschmacktesten, die es überhaupt gibt, und genau dieser abgeschmackten Lächerlichkeit verdanke ich meine Existenz, denn ohne meine Frau kennengelernt zu haben, hätte ich ja nicht weiterexistieren können, das ist mir heute klarer denn je. Jahrelang bin ich auf dieser Bank mehr oder weniger in der tiefsten Verzweiflung gesessen und plötzlich bin ich gerettet worden. Irrsigler verdanke ich also so ziemlich alles, das ich bin, denn ohne Irrsigler wäre ich ja schon lange nicht mehr, sagte Reger in dem Augenblick, in welchem Irrsigler aus dem Sebastiano-Saal in den Bordone-Saal hereinschaute. Gegen zwölf ist das Kunsthistorische Museum meistens schon ziemlich leer, auch an diesem Tag waren nicht mehr viel Leute zu sehen und in der sogenannten italienischen Abteilung hielt sich außer uns niemand mehr auf. Irrsigler trat einen Schritt aus dem Sebastiano-Saal heraus in den Bordone-Saal herein, als wolle er Reger die Gelegenheit geben, einen Wunsch zu äußern, aber Reger hatte keinen Wunsch und so zog sich Irrsigler gleich wieder in den Sebastiano-Saal zurück, er ging tatsächlich mit dem Rücken zuerst aus dem Bordone-Saal in den Sebastiano-Saal. Irrsigler sei ihm verbundener als jemals ein naher Verwandter, meinte Reger, mich verbindet mit diesem Menschen mehr als mich jemals mit einem meiner Verwandten verbunden hat , sagte er. Unsere Beziehunghaben wir immer im idealen Gleichgewicht halten können, sagte Reger, über Jahrzehnte schon in diesem idealen Gleichgewicht . Irrsigler hat immer das Gefühl, er ist von mir beschützt, wenn er auch nicht genau weiß, in welchem
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