Alte Meister: Komödie (German Edition)
er. Sie sehen, ich verdanke diesem Kunsthistorischen Museum nicht wenig, sagte er. Vielleicht ist es sogar Dankbarkeit, die mich jeden zweiten Tag ins Kunsthistorische Museum gehen läßt, sagte er lachend, aber natürlich ist es das nicht. Wissen Sie, daß es im sogenannten Himmelstraßenhaus meiner Frau, auf der sogenannten Himmelstraße in Grinzing, einen Safe gegeben hat, in den mehrere Leute ohne weiteres hineingehen haben können?, sagte er. In diesem Safe hatte sie die kostbarsten Stradivari, Guarneri,Maggini, sagte er. Abgesehen von allem andern. Den Krieg hat meine Frau ebenso wie ich in London verbracht und es ist höchst verwunderlich, daß ich sie nicht schon in London kennengelernt habe, denn meine Frau verkehrte damals, also zur gleichen Zeit, in derselben Londoner Gesellschaft wie ich. Jahrelang sind wir in London aneinander vorbeigegangen, sagte Reger. Übrigens hat meine Frau, noch bevor wir verheiratet waren, mehrere Bilder dem Kunsthistorischen Museum zum Geschenk gemacht, sagte Reger, darunter einen sehr wertvollen, gar nicht so arg mißglückten Furini, den finden Sie übrigens gleich neben dem Cigoli und dem Empoli, also genau zwischen dem Empoli und dem Cigoli, den ich übrigens gar nicht mag. Nach der Heirat hat meine Frau keine Bilder mehr verschenkt, sagte er, ich habe ihr klargemacht, daß es keinen Zweck hat, Geschenke zu machen, das Geschenkemachen an sich ist eine Widerlichkeit, sagte er. Stellen Sie sich vor, meine Frau hat, vor unserer Verehelichung, eine biedermeierliche Stadtansicht von Wien, ich glaube von Gauermann, einer ihrer Nichten geschenkt. Als sie ein Jahr später einmal mehr aus Zufall denn aus Interesse daran, im Museum der Stadt Wien einen Rundgang machte, sozusagen um sich zwischen zwei Mahlzeiten die Zeit zu vertreiben, entdeckte sie in diesem Museum der Stadt Wien , das ja überhaupt nichts wert ist, wie ich meine, den der Nichte geschenkten Gauermann. Sie können sich vorstellen, daß das ein Schock für sie gewesen ist. Sie war sofort in die Direktion des Museums gegangen und hat dort in Erfahrung gebracht, daß ihre Nichte das Bild schon wenige Wochen, wenn nicht schon ein paar Tage nachdem sie es von ihrer Tante, meiner späteren Frau, geschenkt bekommen hatte, für Zweihunderttausend an das Museum der Stadt Wien verkauft hat. Geschenke machen ist eine der größten Unsinnigkeiten, sagte Reger. Das habe ich meiner Frau sehr bald klargemacht und sie hat keinerlei Geschenke mehr gemacht. Wir reißen uns einen uns lieben, wie gesagt wird,ans Herz gewachsenen Gegenstand, ein Kunstwerk aus unserem Leben heraus und der Beschenkte geht her und verkauft es um eine unverschämte, horrende Summe, sagte Reger. Das Geschenkemachen ist eine fürchterliche Gewohnheit, natürlich aus dem schlechten Gewissen und auch sehr oft aus der landläufigen Vereinsamungsangst heraus vollzogen, sagte Reger, eine böse Unart, das Geschenk und also das Geschenkte wird nicht geschätzt, es hätte immer mehr sein sollen und immer noch mehr und es erzeugt am Ende nur Haß, sagte er. Ich habe in meinem Leben niemals Geschenke gemacht, sagte er, ich habe es aber auch immer abgelehnt, Geschenke zu empfangen, ja ich fürchtete mich zeitlebens vor dem Beschenkt werden . Und wissen Sie, sagte Reger, daß Irrsigler auch seinen Anteil an dieser Ehe hat? Irrsigler hat, wie sich später herausstellte, zu meiner Frau im Sebastiano-Saal, wo sie sich plötzlich völlig erschöpft an die Wand gelehnt hat, gesagt, sie solle doch im Bordone-Saal auf der Bordone-Saal-Sitzbank Platz nehmen, Irrsigler hat sie aus dem Sebastiano-Saal in den Bordone-Saal geführt, auf sein Anraten hat sie sich auf die Bordone-Saal-Sitzbank gesetzt, sagte Reger. Hätte Irrsigler sie nicht in den Bordone-Saal geführt, ich hätte sie wahrscheinlich nie kennengelernt, sagte Reger. Sie wissen, ich glaube nicht an Zufälle, sagte er. So gesehen ist Irrsigler unser Ehestifter, sagte Reger. Lange Zeit hatten ich und meine Frau nicht daran gedacht, daß im Grunde Irrsigler der Stifter unserer Ehe gewesen ist, bis wir eines Tages, infolge einer Rekonstruktion unserer Beziehung, darauf gekommen sind. Irrsigler hat einmal gesagt, er habe meine spätere Frau damals längere Zeit im Sebastiano-Saal beobachtet , es sei ihm nicht klar gewesen, was der Grund gewesen sei für ihr ihm von Anfang an merkwürdiges Verhalten , ja er habe sogar den Gedanken gehabt, sie sei im Begriff, eines der im Sebastiano-Saal hängenden Gemälde zu fotografieren, was
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