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Alte Meister: Komödie (German Edition)

Alte Meister: Komödie (German Edition)

Titel: Alte Meister: Komödie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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sie wollen, sie mögen gemalt haben, wie sie wollen, sagte Reger, und doch sind sie es, die mich am Leben halten. So gehe ich durch die Stadt und denke, daß ich diese Stadt nicht mehr aushalte und daß ich nicht nur die Stadt nicht mehr aushalte, daß ich die ganze Welt und in der Folge eben die ganze Menschheit nicht mehr aushalte, denn die Welt und die ganze Menschheit sind ja mittlerweile so entsetzlich geworden, daß sie bald nicht mehr auszuhalten sind, wenigstens nicht für einen Menschen wie mich. Für einen Verstandesmenschen wie für einen Gefühlsmenschen wie mich ist die Welt und ist die Menschheit bald nicht mehr auszuhalten, wissen Sie, Atzbacher. Ich finde in dieser Welt und unter diesen Menschen nichts mehr, das mir etwas wert ist, sagte er, in dieser Welt ist alles stumpfsinnig und in dieser Menschheit ist alles ebenso stumpfsinnig. Diese Welt und die Menschheit haben heute einen Grad von Stumpfsinnigkeit erreicht, den sich ein Mensch wie ich nicht mehr leisten kann, sagte er, eine solche Welt darf ein solcher Mensch nicht mehr mitleben, eine solche Menschheit darf ein solcher Mensch wie ich nicht mehr mitexistieren, sagte Reger. Alles in dieser Welt und in dieser Menschheit ist bis auf die niedrigste Stufe herunter abgestumpft, sagte Reger, alles in dieser Welt und in dieser Menschheit hat einen Grad von Gemeingefährlichkeit und niedriger Brutalität erreicht, daß es mir ja schon beinahe unmöglich ist, wenigstens immer wieder nur einen einzigen Tag in dieser Welt und in dieser Menschheitweiter zu kommen. Einen solchen Grad von niedriger Stumpfsinnigkeit haben selbst die hellsichtigsten Denker der Geschichte nicht für möglich gehalten, sagte Reger, nicht Schopenhauer, nicht Nietzsche, von Montaigne ganz zu schweigen, sagte Reger, und was unsere hervorragenden Welt- und Menschheits-Dichter betrifft, so ist das, das sie der Welt und der Menschheit vorausgesagt und vorausgeschrieben haben an Scheußlichkeit und Niedergang, nichts gegen den jetzigen Zustand. Dostojewski selbst, einer unserer größten Hellseher, hat die Zukunft nur als eine lächerliche Idylle beschrieben, genauso wie Diderot nur eine lächerliche Zukunftsidylle beschrieben hat, die entsetzliche Hölle des Dostojewski ist so harmlos gegen die, in welcher wir uns heute befinden, daß es einem nurmehr noch eiskalt über den Rücken läuft, wenn wir daran denken, die Höllen, die Diderot vorausgesagt und vorausgeschrieben hat, ebenso. Der eine von seinem russischen und weltöstlichen Standpunkt aus hat diese absolute Hölle ebensowenig vorausgesehen und vorausgesagt und vorausgeschrieben, wie sein weltwestlicher Gegendenker und Gegenschreiber Diderot, sagte Reger. Die Welt und die Menschheit sind in einem Höllenzustand angelangt, in welchem die Welt und die Menschheit noch niemals in der Geschichte angelangt waren, das ist die Wahrheit, so Reger. Es ist ja geradezu idyllisch, was diese großen Denker und diese großen Schriftsteller alles vorausgeschrieben haben, sagte Reger, alle zusammen haben sie, obwohl sie der Meinung gewesen waren, die Hölle beschrieben zu haben, doch nur eine Idylle beschrieben, die gegen die Hölle, in welcher wir heute existieren, ja geradezu eine idyllische Idylle gewesen ist, so Reger. Alles Heutige ist voller Gemeinheit und voller Bosheit, Lüge und Verrat, sagte Reger, so unverschämt und perfide wie heute ist die Menschheit nie gewesen. Wir können anschauen, was wir wollen, wir können hingehen, wohin wir wollen, wir schauen nur in Bosheit und Niedertracht und in Verrat und Lüge und in Heuchelei und immernur in nichts als in die absolute Niedrigkeit hinein, gleich was wir anschauen, gleich, wo wir hingehen, wir sind mit Bosheit und mit Lüge und Heuchelei konfrontiert. Was sehen wir anderes, als Lüge und Bosheit, als Heuchelei und Verrat, als die niedrigste Niedrigkeit, wenn wir hier auf die Straße gehen, wenn wir uns wagen, auf die Straße zu gehen , sagte Reger. Wir gehen auf die Straße und wir gehen in Niedrigkeit hinein, sagte er, in Niedrigkeit und in Schamlosigkeit, in Heuchelei und in Bosheit. Wir sagen, es gibt kein verlogeneres und kein verheuchelteres und kein boshafteres Land als dieses Land, aber wenn wir aus diesem Land hinausgehen oder auch nur hinausschauen, sehen wir, daß auch außerhalb unseres Landes nur Bosheit und Heuchelei und Lüge und Niedrigkeit den Ton angeben. Wir haben die widerwärtigste Regierung, die man sich nur vorstellen kann, die verheucheltste, die boshafteste,

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