Alter Adel rostet nicht
roch mir verteufelt nach Sündenregister und Jüngstem Gericht, und es stimmte mich einen Augenblick lang mißvergnügt.
Andererseits war daran wohl nichts mehr zu ändern, und deshalb wandte ich mich wieder den, wie man so sagt, anstehenden Problemen zu.
»Was schlagen Sie also vor? Wollen Sie Ihren Vorsitzenden um Auskünfte über Spode bitten?«
»Jawohl, Sir.«
»Und Sie glauben, er rückt damit heraus?«
»Ganz gewiß, Sir.«
»Heißt das, daß er diese Fakten – diese äußerst heiklen Fakten, – diese Fakten, die größtes Unheil anrichten können, wenn sie in die falschen Hände geraten – jedem mitteilt, der ihn danach fragt?«
»Nur Clubmitglieder erhalten diese Auskünfte, Sir.«
»Und wann könnten Sie mit ihm Verbindung aufnehmen?«
»Ich könnte ihn sofort anrufen, Sir.«
»Dann tun Sie das, Jeeves. Und lassen Sie sich nicht davon irritieren, daß es sich um ein Ferngespräch handelt. Die Telefonrechnung bezahlt schließlich Sir Watkyn Bassett. Lassen Sie sich also Zeit und machen Sie Ihrem Vorsitzenden klar – unmißverständlich klar –, daß Not am Mann ist.«
»Ich denke, ich werde ihn davon überzeugen können, daß es sich um einen dringenden Fall handelt, Sir.«
»Wenn Sie es nicht allein schaffen, holen Sie mich ans Telefon.«
»Sehr wohl, Sir.«
Er ging, um seine gute Tat zu vollbringen.
»Ach, da fällt mir ein, Jeeves«, sagte ich, gerade als er die Tür erreichte. »Sagten Sie nicht, Sie hätten mit Gussie gesprochen?«
»Jawohl, Sir.«
»Gibt’s irgendwas Neues?«
»Jawohl, Sir. Dem Vernehmen nach hat er seine Beziehung zu Miss Bassett abgebrochen. Ihr Verlöbnis ist aufgelöst.«
Er schritt von dannen, während ich fast an die Decke schoß. Das ist gar nicht so einfach, wenn man in einem Sessel sitzt, aber ich schaffte es.
»Jeeves!« krächzte ich.
Aber er blieb spurlos verschwunden.
Im nächsten Augenblick ertönte aus dem unteren Stockwerk der Gong zum Abendessen.
6
Es tut mir jedesmal weh, wenn ich mich an dieses Abendessen erinnere und daran denken muß, daß mein seelischer Zustand es mir nicht ermöglichte, mich so richtig unbeschwert hineinzuknien, denn es handelte sich um ein Diner von solcher Güte, daß ich mir unter günstigeren Umständen alle zehn Finger danach geleckt hätte. Charakterlich mochte Sir Watkyn Bassett erhebliche Mängel haben, aber für das leibliche Wohl seiner Gäste sorgte er aufs beste, und obwohl ich zur Zeit ganz andere Sorgen hatte, war mir schon nach fünf Minuten klar, daß seine Köchin ein Liebling der kulinarischen Götter sein mußte. Auf eine Suppe der Güteklasse eins folgte ein superb zubereiteter Fisch, und danach gab es ein Rehgulasch, das auch Anatole zur Ehre gereicht hätte. Rechnen Sie noch Spargel, Mousse au Chocolat und Räucheraal auf Toast hinzu, und Sie werden verstehen, was ich meine.
Soweit es mich betraf, war das natürlich alles für die Katz. Wie sagt man so schön? Besser ein Gericht Gemüse und dafür nur Freunde am Tisch, als ein Festschmaus mit irgendwelchen Streithähnen; und beim Anblick von Gussie und Madeline, die Seite an Seite am anderen Ende der Tafel saßen, wurde mir die Speise im Mund zu Asche. Sorgenvoll beäugte ich die beiden.
Sie wissen ja, wie zwei Verlobte normalerweise sind, wenn sie sich in Gesellschaft befinden. Sie stecken andauernd die Köpfe zusammen und flüstern sich was. Sie tuscheln und kichern. Sie stoßen sich an und zwinkern sich zu. Ich habe es sogar mal erlebt, daß der weibliche Teil eines solchen Duos seinen Partner mit der Gabel fütterte. Zwischen Madeline Bassett und Gussie spielte sich dagegen nichts in dieser Art ab. Er sah so blaß aus wie ein jüngst Verstorbener, und sie wirkte eisig und abweisend. Die meiste Zeit verbrachten sie damit, Weißbrotstücke zu zerbröseln und daraus kleine Brotkügelchen zu formen, und soweit ich feststellen konnte, wechselten sie die ganze Zeit kein einziges Wort. Doch – einmal, als er sie um das Salz gebeten hatte und sie ihm den Pfeffer gab, da sagte er: »Ich meinte das Salz«, worauf sie »Ach so« antwortete und ihm den Senf reichte.
Es konnte keinen Zweifel daran geben, daß Jeeves recht gehabt hatte. Bei dem jungen Paar herrschte dicke Luft wie nach einem Zerwürfnis, und was mir an der Sache – mal von der Tragik abgesehen – besonderes Kopfzerbrechen bereitete, war die Frage, warum es dazu kommen konnte. Das Ganze war mir ein Rätsel, und ungeduldig wartete ich darauf, daß die Tafel endlich aufgehoben würde
Weitere Kostenlose Bücher