Alter Adel rostet nicht
günstigen Licht erschien. Er mußte sich wohl selten dämlich aufgeführt haben.
Die Lage war zweifelsohne unerfreulich, und wenn ich daran irgendwas hätte ändern können, so hätte ich es ohne Umschweife getan. Aber wenn ich es mir recht überlegte, war ich machtlos. Mit einem leisen Seufzer nahm ich mir meinen Reißer vor, und gerade hatte ich mich wieder so richtig hineinvertieft, da hörte ich plötzlich eine hohle Stimme »Du, Bertie!« sagen, und zitternd wie Espenlaub richtete ich mich in meinem Sessel auf. Mir war, als hätte sich das Schloßgespenst von hinten an mich herangeschlichen und mir in den Nacken gehaucht.
Ich drehte mich um, und da entdeckte ich Augustus Fink-Nottle, der unter meinem Bett hervorgekrochen kam.
Da sich meine Zunge vor Schreck im Gaumensegel verheddert zu haben schien, was eine unangenehme Atemnot zur Folge hatte, konnte ich im ersten Augenblick keinen Ton herausbringen. Ich starrte Gussie nur mit weit aufgerissenen Augen an und merkte dabei, daß er das Zwiegespräch, das hier vor kurzem stattgefunden hatte, genau mitbekommen haben mußte. Er wirkte in jeder Beziehung wie ein Mann, der genau weiß, daß Roderick Spode ihm hart auf den Fersen ist. Sein Haar war zerzaust, sein Blick war unstet, und um Mund und Nase zuckte es. Ein von einem Wiesel verfolgtes Kaninchen hätte genauso ausgesehen, wenn man mal davon absieht, daß ein Kaninchen natürlich keine Hornbrille aufgehabt hätte.
»Das war aber knapp, Bertie«, sagte er mit leiser, bebender Stimme. Er kam zu mir herüber, wobei ihm die Knie fast zu versagen schienen. »Ich werde lieber mal die Tür zuschließen, wenn du nichts dagegen hast. Am Ende kommt er noch mal zurück. Ein Wunder, daß er nicht unters Bett gesehen hat. Ich dachte immer, diese Diktatoren wären besonders gründlich.«
Endlich gelang es mir, meine Zunge wieder freizukriegen.
»Hier geht es jetzt nicht um Betten und Diktatoren! Was ist mit dir und Madeline Bassett los?«
Er verzog schmerzlich das Gesicht.
»Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir nicht darüber redeten?«
»Allerdings würde es mir etwas ausmachen, wenn wir nicht darüber redeten! Ich will über gar nichts anderes mit dir reden. Warum zum Kuckuck hat sie eure Verlobung aufgelöst? Was hast du bloß mit ihr gemacht?«
Wieder verzog er das Gesicht. Man merkte, daß ich den Nerv getroffen hatte.
»Es geht weniger um das, was ich mit ihr gemacht habe, als um das, was ich mit Stephanie Byng gemacht habe.«
»Mit Stiffy?«
»Ja.«
»Und was hast du mit Stiffy gemacht?«
Die Sache schien ihm peinlich zu sein.
»Ich äh – Na ja, ich habe … Natürlich sehe ich jetzt ein, daß es ein Fehler war, aber zuerst fand ich die Idee ganz gut. Also, die Sache ist so …«
»Nun sag schon!«
Er gab sich einen sichtbaren Ruck.
»Ich weiß nicht, Bertie, ob du dich noch an unser Gespräch vor dem Abendessen erinnerst … Es ging darum, daß sie das Notizbuch möglicherweise bei sich trägt … Wie du vielleicht weißt, stellte ich die Theorie auf, daß es in ihrem Dekolleté stecken könnte … Möglicherweise erinnerst du dich auch daran, daß ich sagte, man könnte sich vergewissern, indem …«
Mir wurde schwindlig. Ich ahnte, was jetzt kommen mußte. »Du hast doch nicht etwa …?«
»Doch.«
»Wann?«
Wieder nahm sein Gesicht diesen leidenden Ausdruck an.
»Kurz vor dem Abendessen. Du weißt doch, daß wir sie im Salon Volkslieder singen hörten. Ich ging also hinunter, und da saß sie am Flügel, ganz allein … Und plötzlich kam mir der Gedanke, daß die Gelegenheit günstig wäre … Ich wußte allerdings nicht, daß Madeline auch da war. Sie war momentan nicht zu sehen, weil sie hinter den Wandschirm in der Ecke gegangen war, um einen neuen Stapel Notenblätter aus der Truhe zu holen, in der sie aufbewahrt werden … und … na, kurz und gut, gerade als ich … also, mit einem Wort, als ich gerade … Wie soll ich mich nur ausdrücken? … Gerade als ich sozusagen zur Sache kommen wollte, tauchte sie auf … und … Na, du kannst dir ja denken … Ich meine, erst die Sache mit der Mücke in ihrem Auge und jetzt das … Wie sollte ich ihr das erklären? Ich konnte es ihr nicht erklären. Das ist alles. Bist du gut im Zusammenknoten von Bettlaken, Bertie?«
Ich konnte seinen, wie man so sagt, verworrenen Gedankengängen nicht ganz folgen.
»Zusammenknoten? Bettlaken?«
»Ich habe unterm Bett darüber nachgedacht, während du mit Spode gequatscht hast, und ich bin zu dem
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