Alter Adel rostet nicht
Vertrauen gezogen, und letzterer hat mir persönlich mitgeteilt, daß er mich zu Mus schlagen wird, wenn das Sahnekännchen verschwindet. Und das ist der Grund, weshalb alle Aktionen meinerseits unterbleiben werden.«
Nach diesen Worten trat ein längeres Schweigen ein. Sie brauchte anscheinend eine ganze Weile, um das zu verdauen und einzusehen, daß es nicht einfach eine Laune des Augenblicks war, wenn Bertram ihr in der Stunde der Not nicht beisprang. Aber dann begriff sie, in welcher furchtbaren Zwickmühle ich steckte, und wenn ich mich nicht sehr irre, wurde sie sogar fast blaß.
In meiner Kindheit und Jugend hatte diese Tante die Gewohnheit, mir von Zeit zu Zeit eins hinter die Ohren zu geben, wenn sie eine solche Maßnahme durch mein Verhalten für gerechtfertigt hielt, und auch in späteren Jahren ist es mir oft so vorgekommen, als juckte es ihr in den Fingern. Aber unter ihrem backpfeifenverteilenden Äußeren schlägt ein gutes Herz, in das sie, wie ich weiß, unsern Bertram geschlossen hat. Sie wäre die letzte, die zuließe, daß man ihrem Neffen ein Veilchen verpaßt und die aristokratische Nase platt schlägt.
»Verstehe«, sagte sie schließlich. »Ja. Das macht die Sache natürlich schwierig.«
»Unerhört schwierig. Wenn du sie als ausweglos und tragisch bezeichnen würdest, hätte ich auch nichts einzuwenden.«
»Er hat also gesagt, daß er dich zu Mus schlagen würde?«
»Das waren seine Worte. Er hat sie sogar wiederholt. Ein Irrtum ist daher ausgeschlossen.«
»Na, ich möchte natürlich auf keinen Fall, daß dieser ungeschlachte Patron dich in die Mangel nimmt. Gegen so einen King Kong hättest du keine Chance. In Null Komma nichts hätte er Kleinholz aus dir gemacht. Er würde dich in Stücke reißen und die Reste im Wind verstreuen.«
Ich zuckte ein wenig zusammen.
»Du brauchst es ja nicht gerade in den grellsten Farben auszumalen, liebste Tante.«
»Und du bist sicher, daß er es ernst gemeint hat?«
»Absolut.«
»Hunde, die bellen, beißen oft nicht, weißt du.« Ich lächelte dünn.
»Ich kann mir denken, worauf du hinauswillst, Tante Dahlia«, sagte ich. »Gleich wirst du mich fragen, ob er es nicht mit einem Augenzwinkern gesagt hat. Nein, hat er nicht. Das Vorhaben, das Roderick Spode mir bei unserer jüngsten Zusammenkunft beschrieben hat, ist ein Vorhaben, das er mit Sicherheit in die Tat umsetzen wird.«
»Dann sind wir geliefert. Es sei denn, Jeeves fiele etwas ein.« Dieser war inzwischen mit dem Brandy hereingekommen, und es wurde auch Zeit. Ich verstand gar nicht, wo er so lange geblieben war. Sie wandte sich an ihn. »Wir sprechen gerade über Mr. Spode, Jeeves.«
»Ja, Madam?«
»Jeeves und ich haben die Bedrohung durch Spode schon ausführlich besprochen«, sagte ich düster, »und er ist auch ratlos. Zum erstenmal hat uns sein Superkopf im Stich gelassen. Er hat hin und her überlegt, aber es ist nichts dabei herausgekommen.«
Tante Dahlia hatte dankbar an ihrem Brandyglas genuckelt, und nun machte sie ein nachdenkliches Gesicht.
»Mir ist da gerade was eingefallen«, sagte sie.
»Spuck’s aus, gute Muhme«, versetzte ich, düster wie zuvor. »Aber ich wette, es ist eine Niete.«
»Es ist überhaupt keine Niete. Das könnte uns sogar aus allem heraushelfen. Ich habe mir nämlich überlegt, ob dieser Spode nicht vielleicht irgendein finsteres Geheimnis zu verbergen hat. Wissen Sie Näheres über ihn, Jeeves?«
»Nein, Madam.«
»Was meinst du mit ›finsteres Geheimnis‹?«
»Meine Überlegung ist diese: Wenn er irgendwo einen wunden Punkt hätte, bei dem wir ihn packen könnten, dann könnten wir ihm damit die Flügel stutzen. Als kleines Mädchen habe ich mal beobachtet, wie dein Onkel George meine Gouvernante küßte, und man glaubt gar nicht, wie leicht ich dadurch später Meinungsverschiedenheiten vermeiden konnte, wenn sie mich zum Beispiel zwingen wollte, nach dem Unterricht noch dazubleiben und die wichtigsten Einfuhr- und Ausfuhrgüter des Vereinigten Königreichs aus einem Buch abzuschreiben. Verstehst du, was ich meine? Nehmen wir mal an, wir wüßten, daß Spode jahrelang seine Kartoffeln mit dem Messer geschnitten hätte … Du findest das also nicht gut?« erkundigte sie sich, als sie sah, daß ich die Lippen zweifelnd spitzte.
»Die Idee ist ja ganz nett, aber sie hat einen großen Nachteil: Wir wissen nichts dergleichen.«
»Ja, da hast du recht.« Sie stand auf. »Na, es war nur so ein Gedanke von mir. Ich denke, ich gehe jetzt
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