Alter Hass rostet nicht
gemahnten, gruppierten sich um mehrere runde, cremefarbene Couchtische, auf denen Zeitschriften zwischen Glasschalen mit Süßigkeiten auslagen. An den Wänden zogen sich Bücherregale entlang, nach oben war der Raum offen und gab den Blick in die erste Etage frei, wo breite Flure in alle möglichen Richtungen abzweigten.
»Haben Sie einen Termin?«
Die Blondine hinter dem übergroßen Empfangstresen lächelte uns unverbindlich an. Wir zückten unsere Ausweise.
»FBI, ich bin Agent Cotton, das ist mein Kollege Agent Decker. Wir würde gerne mit dem Leiter der Kanzlei sprechen.«
Dass sie es mit zwei FBI-Agents zu tun hatte, schien keinerlei Eindruck auf sie zu machen. Ihr Ton blieb höflich distanziert.
»In welcher Angelegenheit?«
»Das würden wir Ihrem Chef lieber persönlich sagen …«
Ich warf einen Blick auf ihr Namensschild.
»… Mistress Cohen.«
Ohne die Miene zu verziehen, deutete sie Richtung Wartebereich.
»Nehmen Sie Platz. Ich sage Mister Farnsworth Bescheid.«
Ich verwünschte den Menschen, der diese skurrilen Sitzmöbel entworfen hatte, und war froh, dass Mr Farnsworth uns nicht lange warten ließ.
»Agents, wenn Sie mir bitte folgen würden.«
Er führte uns in sein Büro in der ersten Etage, das erfreulicherweise mit klassischen Chrom-Leder-Sesseln ausgestattet war. Er selbst nahm hinter einem überdimensionierten Schreibtisch Platz, auf dessen riesiger Glasplatte lediglich ein winziges Notebook stand, faltete die Hände und sah uns erwartungsvoll an.
»Was kann ich für Sie tun?«
»Leider muss ich Ihnen eine traurige Nachricht überbringen. Ihr Mitarbeiter, Mister Colin Banks, ist tot.«
Gordon Farnsworth starrte mich an, als hätte ich ihm gerade erklärt, ab morgen würden in seiner Kanzlei Experimente mit weißen Mäusen durchgeführt.
»Colin … ist tot …«, stammelte er, »… aber das ist … unmöglich … ich hab ihn doch gerade noch im Meeting gesehen …«
»Es ist nicht weit von hier passiert, unten auf der Straße. Die genaue Todesursache wird noch ermittelt.«
Gordon Farnsworth’ schockierte Reaktion war nicht gespielt.
»Ich verstehe nicht. Was hat das FBI damit zu tun? Ist Colin keines natürlichen Todes gestorben?«
Ich wechselte einen kurzen Blick mit Phil.
»Um diese Frage zu beantworten, müssen wir den Bericht der Gerichtsmedizin abwarten«, antwortete mein Partner. »Im Moment interessiert uns vor allem, mit welchem Fall er gerade beschäftigt war.«
Farnsworth runzelte verwirrt die Stirn.
»Wollen Sie damit sagen, dass sein Tod in irgendeinem Zusammenhang mit seiner Arbeit steht?«
»Wäre das so ungewöhnlich?« fragte ich zurück.
Gordon Farnsworth schwieg. Er wusste, dass ich recht hatte. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Anwalt zum Opfer eines Klienten wurde, der sich ungerecht behandelt fühlte.
Und es würde sicher nicht das letzte Mal sein.
»Also, Mister Farnsworth – womit hatte Colin Banks zuletzt zu tun?«
Der Anwalt, der gerade auf tragische Weise einen seiner Mitarbeiter verloren hatte, schloss kurz die Augen, dann blickte er mich offen an.
»Der Grundstückskrieg in East Harlem. Sie haben sicher in der Presse davon gelesen.«
Ich nickte. In den vergangenen Wochen war kein Tag vergangen, an dem die Zeitungen nicht davon berichtet hatten. Es ging um ein Grundstück an der Pleasant Avenue, zwischen East 118th und East 119th Street. Es gehörte Martin Knudson, einer schillernden Figur des New Yorker Jetset mit einer mehr als dubiosen Vergangenheit.
Knudson wollte dort ein modernes Wohn- und Einkaufszentrum hinsetzen mit Tiefgarage, Multiplex-Kino und hippen Künstlerlofts. Dafür mussten allerdings zwei Mehrfamilienhäuser älteren Datums weichen, und deren Bewohner widersetzten sich den Plänen des Immobilienhais mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln.
Ihren bisher traurigen Höhepunkt hatte die Auseinandersetzung gefunden, als eine 84-jährige Bewohnerin sich im Hausflur erhängt hatte. In ihrem verzweifelten Abschiedsbrief hatte sie Martin Knudson die Schuld an ihrem Tod gegeben.
Blutiger Häuserkampf in Harlem fordert erstes Todesopfer!, titelten die Zeitungen, aber Knudson erhöhte lediglich sein finanzielles Angebot an die Bewohner, die bereit waren, ihre Wohnungen zu verlassen. Ohne Erfolg. Stattdessen hatte sich eine Bürgerinitiative gebildet, deren Anführer Pedro Gonzales Colin Banks beauftragt hatte, die Rechte der Bewohner notfalls juristisch durchzusetzen.
Jetzt war Colin Banks tot. Und es gab
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