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Alter Sack, was nun

Titel: Alter Sack, was nun
Autoren: Kester Schlenz
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Weise archaisch. Die beiden haben sämtliche Vorräte dabei, Kleidung zum Wechseln, ein Zelt, Schlafsäcke, Kochtöpfe, Isomatten, Futter für ihre beiden Hunde, Werkzeug usw. …
    Ihr Auto lassen sie am Anfang irgendwo am Fluss stehen und fahren dann zwei Wochen lang flussabwärts, gehen an Land, einer trampt oder fährt mit dem Zug zurück, holt das Auto und holt dann den anderen wieder ab.

    Beide sprachen von wunderbaren Abenden am Feuer, wo sie nur gelesen, gechillt und es sich einfach haben gutgehen lassen. Sie sind auch schon annähernd fünfzig, und ich war voll der Bewunderung für diese doch recht ungewöhnliche, einfache und originelle Form des Urlaubs. Ich will Ihnen aber trotzdem sagen, warum ich das nicht machen könnte, obwohl sich das so gut anhört.
    ICH KANN MIR NICHT VORSTELLEN, MIT MEINEN FÜNFZIG JAHREN IRGENDWO IN DER WILDNIS INS UNTERHOLZ ZU KNATTERN.
    Das klingt jetzt blöd, aber genauso haben es die beiden gemacht. Wenn die Natur nach ihrem Recht rief, sind sie mit dem Spaten losgezogen, haben sich ein Loch gegraben, sich dort erleichtert und das Ganze dann wieder zugeschüttet.
    Jetzt werden Sie vielleicht sagen: Das ist doch völlig albern. Wenn es ein so schöner, idyllischer, romantischer und naturverbundener Urlaub ist, dann ist es doch völlig egal, dass da jetzt nicht ein super Badezimmer mit Toilette, fließend Wasser und einer Dusche da ist. Na gut, ich könnte mir ja noch ganz gut vorstellen, mich im Fluss zu waschen, wenn keiner guckt. Es war ja Sommer, und die beiden haben gesagt, dass das von den Temperaturen her überhaupt kein Problem war. Aber sich - wie unsere Freunde - einfach so ins Unterholz zu setzen und da reinzuknöken, also nee, das wäre nix für mich. Und jetzt habe ich mich gefragt:
    BIN ICH VIELLEICHT SCHRULLIG, STELLE ICH MICH ZU SEHR AN?
    Und da erst habe ich gemerkt, dass die Stuhlgangfrage eine ganz wesentliche in unserem Alter ist, insbesondere in Bezug auf Urlaub. Wollen wir doch mal ehrlich sein, es ist doch im Urlaub eminent wichtig, dass man sich vernünftig … nun ja … erleichtert hat, bevor man dann losgeht - an den Strand, zum Stadtbummel, auf eine große Wanderung, oder was auch immer. Und da ist man doch schon recht froh, wenn eine vernünftige Toilette da ist. Auf La Palma hatten wir es mal, dass man dort das Toilettenpapier nicht herunterspülen, sondern in einem Eimer entsorgen musste, den man dann jeden Tag zu leeren hatte. Das ging noch, war aber schon grenzwertig. Wahrscheinlich denken Sie jetzt, was ist das für ein seltsamer analfixierter Mensch, der uns hier mit seinen doch recht intimen und ganz vortrefflich ekelhaften Ausführungen langweilt oder irritiert. Aber ich bitte Sie, halten Sie einen Moment beim Lesen inne und überlegen Sie, ob ich nicht vielleicht doch Recht habe. Und jetzt fragen Sie sich vielleicht zusätzlich:
    WAS WILL UNS DER MANN EIGENTLICH MITTEILEN?
    Dieses ist ein Buch für alte Säcke und soll alten Säcken Hoffnung machen auf ein noch erfülltes, aktives und besseres Leben. Warum hält er uns nun Vorträge über Stuhlgang? Nun, ich will es Ihnen sagen, denn dieses Buch soll ja auch eine gewisse Gemeinsamkeit herstellen zwischen uns - Ihnen als Leser und mir als Autor - und man muss auch über unpopuläre, intime Dinge reden, um diese ganzen Problembereiche in den Griff zu kriegen und sich vielleicht auch aufgehoben zu fühlen in seiner eigenen Spleenigkeit, Empfindlichkeit und Tüddeligkeit. Denn, so schön es auch ist, flexibel und abenteuerlustig
zu sein - ein paar Dinge können wir uns in unserem Alter schon vorbehalten, wie zum Beispiel das Benutzen einer vernünftigen Toilette. Was nicht heißen soll, dass ich unseren Flussinsel-Freunden meine Bewunderung entzöge für das, was sie tun. Im Gegenteil: In gewisser Weise beneide ich sie sogar um die Fähigkeit, einfach so ohne Umschweife und großes Aufhebens ins Unterholz zu knattern. Ich wünschte, ich könnte wie sie, locker und unverkrampft dem Ruf der Natur folgen. Es gelingt mir aber nicht, und ich habe beschlossen, mich deswegen auch nicht mehr zu schämen. Und Sie, liebe Leser, sollten - wenn es Ihnen auch so geht - das auch nicht mehr tun. Gut, jetzt habe ich also gesagt, was ich mir alles nicht vorstellen kann und wie viel Verständnis ich für mich und auch für Sie habe, wenn Sie es ähnlich sehen.

    Heißt das also, dass wir komplizierte, unflexible alte Säcke sind? Ja, das heißt es wohl, und ich finde das auch völlig in Ordnung.
    ICH MEINE, DASS
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