Rote Sonne - heisse Kuesse
1. KAPITEL
Sydney, Australien
„Miss Rossini …“
Schon wieder jemand, der sie mit dem falschen Namen ansprach.
Jenny gab sich Mühe, ihr Gegenüber zu verstehen. Aber sie vermochte sich nicht zu konzentrieren und verstand nur Bruchstücke. Die Worte, die sie hörte, ergaben einfach keinen Sinn. Sie war wie in einem Nebel gefangen, der sich in manchen Momenten beinahe zu lichten schien, sie dann aber wieder in einem großen Nichts zu verschlingen drohte. War es ein Albtraum, der sich auflöste, nur um immer wiederzukehren? Sie musste aufwachen, die Realität in den Griff bekommen, aber ihre Lider waren so schrecklich schwer.
„Miss Rossini …“
Schon wieder. Was sollte das? Wo war Bella? Warum sprachen diese Leute sie mit dem Namen ihrer Freundin an? Das war doch ganz verkehrt. Ihr Kopf schmerzte. Der Nebel umhüllte sie. Es war um so vieles leichter, sich dem Vergessen hinzugeben, an einen Ort zu verschwinden, wo diese schmerzhaften Verwechslungen nicht existierten. Trotz allem aber wollte sie Antworten, sie wollte, dass dieser qualvolle Albtraum ein Ende nahm. Und deshalb musste sie sich jetzt auch mit aller Macht darauf konzentrieren, die Augen zu öffnen.
„Oh, du lieber Gott! Sie ist aufgewacht!“
Der Ausruf tat ihren Ohren weh. Das gleißende Licht schmerzte, und sie wünschte, die Augen wieder schließen zu können. Aber sie kämpfte gegen den Impuls an, weil sie befürchtete, nicht noch einmal die Kraft aufzubringen, sie wieder zu öffnen. Sie sah nur Schemen, doch plötzlich ließ sich eine rasche Bewegung irgendwo vor ihr ausmachen.
„Ich hole den Arzt!“
Ein Arzt … ein weißes Bett … weiße Stellwände … Schläuche, die an ihren Armen befestigt waren. Sie musste in einem Krankenhaus sein. Eine Art Schlinge war um ihren anderen Arm gebunden. Sie versuchte, ihre Beine zu bewegen, aber es gelang ihr nicht. Es rührte sich gar nichts. Eiskalte Furcht ergriff sie. War sie gelähmt?
Eine Krankenschwester erschien am Fuß des Bettes, eine hübsche blonde Frau mit blauen Augen. „Hallo! Ich heiße Alison. Ich habe Dr. Farrell schon angepiept. Er wird in einer Minute hier sein, Miss Rossini.“
Jenny wollte sagen, dass dies nicht ihr Name war – vergeblich. Ihre Lippen und ihre Kehle waren staubtrocken.
„Ich hole Ihnen kühlendes Eis“, sagte Alison und huschte davon.
Als sie zurückkehrte, wurde sie von einem Mann begleitet, der sich als Dr. Farrell vorstellte. Alison gab ihr einen Eiswürfel, den Jenny langsam im Mund zergehen ließ und der ihre Kehle befeuchtete.
„Schön, dass Sie wieder bei uns sind, Miss Rossini“, sagte der Arzt, ein kleiner, untersetzter Mann, etwa Mitte dreißig, fröhlich. Der Blick seiner hellbraunen Augen signalisierte, dass er sich über ihren Wachzustand freute. „Sie haben die letzten beiden Wochen im Koma gelegen.“
Warum? Was ist mit mir los? Panik erfasste sie, während sie versuchte, ihm diese Frage mit Blicken mitzuteilen.
„Sie hatten einen Autounfall.“ Er verstand offensichtlich, dass sie wissen musste, was mit ihr geschehen war. „Aus irgendwelchen Gründen hatten Sie keinen Sicherheitsgurt angelegt und wurden direkt aus dem brennenden Wrack geschleudert. Sie haben eine schwere Gehirnerschütterung erlitten. Außerdem hatten Sie drei gebrochene Rippen, einen gebrochenen Arm und schwere Fleischwunden an einem Bein. Der Gipsverband an Ihrem anderen Bein war notwendig, weil Sie sich den Knöchel gebrochen haben. Die gute Nachricht ist, dass alles prima verheilt. Sie werden bestimmt bald wieder auf den Beinen sein.“
Eine Welle der Erleichterung durchströmte sie. Sie war nicht gelähmt. Trotzdem schien ihr verletztes Gehirn nicht richtig zu funktionieren. An einen Autounfall konnte sie sich gar nicht erinnern. Außerdem war es unmöglich, dass sie keinen Sicherheitsgurt getragen hatte. Sie legte ihn immer ganz automatisch an, wenn sie in ein Auto stieg.
„Sie runzeln die Stirn, Miss Rossini. Was wollen Sie mir damit sagen?“, fragte der Arzt freundlich.
Ich bin nicht Bella. Warum wissen Sie das nicht?
Sie leckte sich über die Lippen und brachte ein Krächzen zustande. „Mein Name …“
„Gut! Sie kennen Ihren Namen.“
Nein!
Sie versuchte es erneut. „Meine Freundin …“
Der Arzt seufzte und verzog das Gesicht. Sein Blick war voller Mitgefühl. „Es tut mir sehr leid, aber ich muss Ihnen mitteilen, dass Ihre Freundin bei dem Unfall ums Leben gekommen ist. Wir konnten nichts mehr für sie tun. Das Auto ging in
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