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Altern verboten

Altern verboten

Titel: Altern verboten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Fassadenschlucht brannte Licht; ein weißer Gleiter mit einem runden Fleck auf dem Bug vor der Frontkuppel. Ein Paar saß auf der vorderen Bank. Yakubar sog die kühle Abendluft tief in seine Lungen. Dann wandte er sich um und ging zum Lift.
    Im Apartment flatterte Moses sofort durch den Salon hindurch ins Schlafzimmer, wo seine Echtholzvoliere auf ihn wartete. Yaku selbst stand zunächst eine Weile im Salon und ließ seinen Blick über die Pflanzen auf der Fensterbank wandern, über die Porträts und die Visuquantenleiste an der Wand, über die Sessel, das Ledersofa, den Tisch und das Bücherregal; das füllte die lange Innenwand aus. Yaku sammelte Bücher.
    Den Rücken zur Fensterfront gewandt holte er die erste der beiden Whiskyflaschen aus dem Geheimfach im Regal. Er barg sie unter seiner Silberzwirnweste und trug sie in die kleine Küche. Dort füllte er den Whisky in eine Teekanne – immer darauf bedacht, den Rücken der gläsernen Straßenfront zuzuwenden. Die leere Flasche trug er unter der Weste zurück zum Bücherregal und versenkte sie im Geheimfach zwischen Band 17 und Band 19 eines vierhundertzehn Jahre alten Lexikons. Der Buchblock von Band 18 lag zwischen einem Stapel anderer umschlaglosen Bücher hinter der Ledercouch.
    »Wüste«, sagte Yaku, als er sich mit einer Tasse Whisky auf der Couch niederließ und die Beine auf den Tisch legte. Das Licht wurde matter, die Fensterfront und die Schmalseite mit der VQ-Leiste entfärbten sich. Einen Atemzug später schien die Sonne von einem wolkenlosen Himmel auf endlose Sanddünen herab. Heiß rann ihm der Whisky durch die Kehle und hinter dem Brustbein entlang in sein Körperzentrum. Das tat gut.
    Sein Blick fiel auf den Kalender am Türrahmen. So ein antikes Ding aus Papier, an dem man jeden Tag ein Blatt abreißen mußte und dann irgendein Motto zu lesen bekam, wie zum Beispiel Gestern ist Geschichte, morgen ist ein Rätsel, heute ist ein Geschenk oder Erkenne dich selbst , oder Vegetarier leben nicht länger, sie sehen nur älter aus und so weiter. Man fand solche Kalender nur noch in bestimmten Souvenirläden bestimmter Planeten. Der hier stammte von Terra Sekunda, wo Yaku Tellim öfter zu tun und gute Freunde hatte. Der Spruch des heutigen Tages lautete Realität ist die Illusion, die man hat, wenn man nüchtern ist . Das Datum darüber lautete: 25. Januar 2554 nGG. Yakubar nahm einen Schluck aus der Tasse.
    Er lehnte sich zurück und betrachtete das Bild auf der Innenseite der Fenster. Eine Kolonne von Reitern in weißen Gewändern ritt über den Kamm einer Sanddüne. Sie saßen auf großen schwarzbraunen Tieren mit langen, mähnigen Hälsen und zwei seltsamen Höckern auf dem Rücken. Yaku hatte gehört, daß man solche Kolonnen früher »Karawanen« genannt hatte. Auch den Namen der witzigen Reittiere hatte er schon gehört. Er fiel ihm aber im Augenblick nicht ein.
    Sein Blick wanderte über die Wand mit den Porträts: seine Enkel Jannis, Kobald und Corall, seine Tochter Mirjam, sein dritter Sohn Hosea, sein zweiter Sohn Jesaja, sein erster Sohn Arnos und schließlich Elsa, seine Frau, im schwarzen Rahmen des größten Bildes.
    Zwischen den Porträts der letzten beiden flog sein Blick hin und her. »Kann sein, wir sehen uns bald«, flüsterte er. Er spülte den schlechten Geschmack auf der Zunge mit einem besonders großen Schluck hinunter. Elsa war vor sechs Tagen gestorben. Eine Infektion auf Woodstock; unbekannter Erreger. Dem entsprechenden Eintrag in der Familienchronik zufolge war sie schon vor sechs Jahren gestorben. Aber das konnte er nicht glauben, wenn er, wie jetzt, ihr Bild betrachtete. Arnos, sein Ältester, war von einer Expedition in den Pferdekopfnebel nicht mehr nach Hause gekommen. Angeblich auch schon siebzehn Jahre her; und auch das kam ihm wie gestern vor. Er leerte die Tasse und schenkte sich nach.
    Die Jahre rückten irgendwie enger zusammen, wenn man älter wurde; fast wie im Rückblick die Tage einer Woche.
    Eigentlich wollte er ein Bad nehmen, doch der Whisky schien ihm reinigende Kraft genug zu entfalten. Er stand auf, ging zum Bücherregal und zog den dritten Band eines zehnbändigen Wörterbuchs heraus; eine Ausgabe von 929 nGG. Damals florierte der Buchhandel noch einigermaßen. Zurück auf der Couch schlug er den Kunstledereinband auf. Ein gelblicher, zerlesener Buchblock lag zwischen den Prachtdeckeln. Der Originalbuchblock lag hinter Yaku zwischen Couch und Wand bei den Büchern, die er vor seinem Siebzigsten noch

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