Alzheimer und Demenzen
von einem bestimmten Menschen sowieso keine Hilfe erwarten kann. Manche Menschen laufen zu Höchstform auf, wenn man sich ihnen anvertraut und Hilfe von ihnen erbittet! Deswegen sollte ich allen Menschen aus meinem Umfeld eine Chance geben – und Zeit! Denn auch Nachbarn, Freunde und Bekannte müssen sich erst an die neue Situation gewöhnen und lernen, mit dem Kranken umzugehen. Daher sollten sie so früh wie möglich über die Erkrankung meines Familienangehörigen informiert werden, damit sie die Möglichkeit haben, sich daran zu gewöhnen, die Entwicklungen mitzuerleben und in ihre Helferrolle hineinzuwachsen.
Konkreten Hilfsbedarf formulieren
Natürlich gibt es auch viele Menschen, die einfach hilflos sind. Sie würden ja gerne helfen wollen, wissen aber nicht wie! In diesem Fall ist es gut, wenn ich mir genau über lege, in welchen Bereichen ich Unterstützung brauche.
Nun ist es für mich gar nicht so einfach, in dieser belastenden und überfordernden Situation, die sich ja ständig verändert, konkreten Hilfsbedarf zu benennen. Ich bin erfüllt von dem Gefühl, dass mir einfach alles zu viel ist. Daher haben es sich Angehörigenberatungsstellen auch zur Aufgabe gemacht, die benötigten Hilfen mit dem Angehörigen gemeinsam zu erarbeiten (→ S. 186 ).
Kontakte pflegen
Der Kontakt mit Freunden, Bekannten, Verwandten und Nachbarn ist für mich jedoch nicht nur wichtig, um konkrete Hilfe zu erhalten, sondern auch, um durch sie die Möglichkeit zu haben, von der Demenzerkrankung meines Familienmitgliedes einmal abzuschalten und Kraft zu tanken: Einmal über etwas ganz anderes sprechen, zusammen lachen, Schönes erleben, gemeinsam einen Abendspaziergang machen oder ins Schwimmbad gehen.
Und wenn ich diese Gefühle hin und wieder bei einem anderen Menschen »rauslassen« kann und sie nicht immer in mich »hineinfressen« muss, ist das für mich sehr erleichternd und erlösend! So betont auch die moderne Pflegeforschung, dass professionellen Pflegern regelmäßig die Möglichkeit gegeben werden muss, über ihr Verhältnis zu den Kranken, über ihre Gefühle und ihre Umgehensweise zu sprechen. Dies ist eine wesentliche Maßnahme, um ihr »Ausbrennen« zu verhindern.
Freunden und Bekannten – die ja selbst insofern Außenstehende sind, als sie nicht zur Familie gehören – fällt es übrigens häufig leichter, Verständnis und Empathie für mich aufzubringen und mich zu trösten als nähereVerwandte. Verwandten, die in die Familienstruktur involviert sind, fällt es dagegen manchmal richtig schwer, mir ein aktiver und empathischer Zuhörer zu sein.
wichtig
Soziale Kontakte zu anderen Menschen sind natürlich auch deshalb wichtig für mich, damit ich über mich und meine Situation und meine – vielfach kaum aushaltbaren – Gefühle sprechen kann. Wut, Aggression, Trauer, Angst, Verzweiflung und Schuldgefühle sind normale emotionale Reaktionen in meiner Situation! Ich brauche mich ihrer nicht zu schämen!
Das hat sicherlich viele Gründe: Einer ist möglicherweise darin zu suchen, dass sie selbst Angst vor einer Demenzerkrankung haben und es nicht aushalten können, dass ein Verwandter an dieser Krankheit leidet. Deshalb tendieren sie vielleicht dazu, die Krankheit zu ignorieren und sie mir »ausreden« zu wollen. Vielleicht schämen sie sich aber auch für ihren demenzkranken Familienangehörigen, oder sie fühlen sich hilflos angesichts dieser Erkrankung. Die Erfahrung zeigt, dass auch die anderen Verwandten lernen können, mit der Situation »Demenz in der Familie« umzugehen – wenn sie sich Informationen und Beratung holen!
TIPP
Wünsche aufschreiben
Die Alzheimer-Gesellschaft empfiehlt, eine Liste anzufertigen mit ganz konkreten Hilfewünschen. Wer fragt, wie er helfen kann, kann sich aus der Liste etwas heraussuchen. Diese Liste kann sich erstrecken von Hilfestellungen wie »aufmerksam werden, wenn der Kranke alleine auf der Straße ist, und mir Bescheid sagen« über soziale Maßnahmen wie etwa »einmal in der Woche auf eine Tasse Kaffee bei mir vorbeischauen« bis hin zu ganz konkreter Unterstützung wie z. B. »Dienstagvormittag 1,5 Stunden den Kranken betreuen, damit ich zur Gymnastik gehen kann«.
Selbsthilfegruppen besuchen
Ich mache wahrscheinlich sehr bald die Erfahrung, dass nur die Menschen meine Probleme wirklich nachvollziehen können, die selbst erleben, was ich gerade erlebe. Menschen, die noch nie mit einem Demenzkranken zusammengelebt haben, können sich so leicht kein
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