Alzheimer und Demenzen
realistisches Bild von meiner Situation machen.
Das Wissen, dass es anderen Menschen ähnlich ergeht, stärkt mich außerdem in meiner Erkenntnis, dass es offensichtlich kein persönliches Problem ist, das mich bedrückt. Es zeigt mir, dass es nicht etwa an meinem eigenen Versagen oder meinen Schwächen liegt, sondern dass meine Probleme insofern »ganz normal« sind, als andere Angehörige von Demenzkranken die gleichen Probleme haben!
wichtig
In der Ähnlichkeit der Erfahrung liegt die besondere entlastende und unterstützende Kraft einer Selbsthilfegruppe. Manche Probleme muss man sich gegenseitig gar nicht detailliert schildern: Schon nach wenigen Worten wissen die anderen sehr genau, was ich meine – schließlich haben sie Ähnliches auch schon erlebt.
Die Teilnehmer können sich gegenseitig bestärken in ihrem Mut, offen und offensiv mit der Demenzerkrankung des Familienangehörigen umzugehen. Durch das Wir-Gefühl der Gruppe verliere ich den Eindruck, eine einsame Einzelkämpferin zu sein und gewinne die Kraft, mich für meine eigenen Interessen und Bedürfnisse einzusetzen. Darüber hinaus können die Teilnehmer Erfahrungen austauschen und sich gute Ratschläge und Tipps geben: Wie kann man schnell einen Platz in der Tagespflege bekommen? Welche Maßnahmen der Wohnungsanpassung haben sich bewährt? usw.
Bewahren Sie Ihre Selbstachtung
Erfolgreiche Verständigung setzt einerseits voraus, dass ich meinen Gesprächspartner genau so akzeptiere, wie er nun einmal ist, und andererseits, dass ich mich selbst ebenfalls genau so annehme, wie ich nun einmal bin! Dieser kommunikationspsychologische Grundsatz war bereits Thema von Kapitel 1 und wurde dort plakativ auf den einfachen Nenner gebracht: »Du bist o.k., ich bin o.k.«
Das klingt ja auch ganz plausibel! Und was so einleuchtend klingt, müsste doch auch ganz leicht zu befolgen sein! Doch leider trifft auch auf dieses Grundprinzip zu, was schon Goethe über alles Leichte (in Faust) feststellte: »Zwar ist es leicht, doch ist das Leichte schwer«.
Gerade die Fähigkeit, sich selbst zu akzeptieren und zu achten, sollte selbstverständlich für jeden Menschen sein. Doch scheint es eine der schwierigsten Lebensaufgaben zu sein, diese Grundeinstellung zu sich selbst zu gewinnen und zu erhalten. Immer wieder gerät jenes Fundament durch Selbstzweifel und überzogene Ansprüche an sich selbst ins Wanken – insbesondere in Zeiten, in denen psychische und körperliche Belastungen an den Kräften zehren. In Krisensituationen setzt daher nicht selten ein Teufelskreis ein: Selbstachtung und -akzeptanz schwinden, dadurch verschlechtern sich unsere kommunikativen Beziehungen, wodurch sich die Krise verschärft und Selbstakzeptanz und -achtung noch weiter schrumpfen.
Wie kann ich also die Achtung vor mir selbst stärken?
Sich Selbstkritik »abgewöhnen«
Im Umgang mit einem Demenzkranken kommt es immer wieder einmal zu Situationen, in denen ich trotz »besseren Wissens« Dinge tue oder denke, die ich – rückblickend betrachtet – bedauere:
»Obwohl ich weiß, dass der Kranke es nicht absichtlich macht, fahre ich trotzdem regelmäßig aus der Haut, wenn er mir zum zehnten Mal dieselbe Frage stellt.«
»Obwohl ich mir vorgenommen habe, ruhig und geduldig zu bleiben, reagiere ich noch immer manchmal ungehalten und schroff, wenn er einfach nicht begreift, was ich ihm sage.«
»Obwohl er mir leid tut, verspüre ich immer wieder den Wunsch, alles hinzuwerfen, ihn jemand anderem anvertrauen und wieder frei sein zu wollen.«
»Obwohl ich ihn liebe, bin ich immer wieder wütend auf ihn« usw.
Solche Gedanken kennt wohl jeder Angehörige! Nicht selten führen sie zu Schuldgefühlen, Selbstzweifeln und schlechtem Gewissen!
wichtig
Doch statt mich selbst zu kritisieren, wäre es viel angemessener, wenn ich mir eingestehen könnte, dass solche Reaktionen und Gefühle nur allzu menschlich sind! Auf belastende Lebenssituationen reagieren Menschen nun einmal auch gefühlsmäßig, und diese Gefühle lassen sich nicht abschalten!
Nur wenn ich diese »negativen« Gefühle an mir selbst akzeptiere, kann ich lernen, ihnen Raum zu geben, ohne einem anderen Menschen oder mir selbst Gewalt anzutun. Deshalb ist es so wichtig zu akzeptieren, dass kein Mensch perfekt ist und sich daher auch kein Mensch unter Druck setzen sollte, perfekt sein zu wollen! Wenn ich Übermenschliches von mir verlange, werde ich mich selbst niemals akzeptieren können, weil ich die selbst gesetzten Ziele nie
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