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Alzheimer und Demenzen

Alzheimer und Demenzen

Titel: Alzheimer und Demenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prof. Dr. Sabine Engel
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einer Situation, in der ich dringend mit anderen Menschen sprechen müsste, in der ich von mir und meiner Situation, meinen Problemen und Ängsten, meinen Belastungen und Schuldgefühlen erzählen müsste, habe ich keinen Ansprechpartner. Zur Entlastung sollte ich aber Kontakt suchen.
Bedürfnis nach Selbstverwirklichung
    Die Spitze der Bedürfnispyramide von Maslow bilden die Bedürfnisse, sich selbst zu verwirklichen, sich selbst zu finden, entsprechend der eigenen Persönlichkeit und den eigenen Fähigkeiten zu leben. Auf meine Situation als Angehörige übertragen hieße das vielleicht, dass meine Selbstverwirklichungsbedürfnisse darin bestehen könnten, Zeit für mich selbst zu haben, um eigene Interessen zu verfolgen, Schönes zu erleben, eigenen Gedanken nachzugehen, eigene Lebensthemen zu durchdenken.
    Doch Zeit für sich selbst ist genau die Ressource, an der es mir am meisten mangelt! Durch die Demenzerkrankung meines Angehörigen habe ich mich zunehmend von meinen Interessen und Lebensthemen entfernt, sodass ich manchmal selbst gar nicht mehr genau weiß, was mir Spaß machen würde, wenn ich Zeit dafür hätte, was meine Bedürfnisse sind, wer ich überhaupt bin.
    Vielleicht stehe ich als Angehörige auch unter dem enormen Druck einer Mehrfachbelastung, gehe neben der Betreuung meines demenzkranken Familienangehörigen einem Beruf oder einer anderen Beschäftigung nach, versorge noch andere Familienmitglieder, führe neben dem Haushalt des Kranken noch einen eigenen Haushalt, erledige die Geldangelegenheiten des Kranken, wasche seine Kleidung usw.

Mir fehlt Anerkennung!
    Anerkennung und Lob sind wichtige Triebfedern für unser Handeln. Wer aber einen Demenzkranken pflegt, dem werden diese Elixiere oft vorenthalten. Nur wenige Menschen wissen, wie schwer und belastend das Leben von Angehörigen demenzkranker Menschen sein kann. Sie ahnen nicht, dass jeder Tag neue Herausforderungen mit sich bringt, die bewältigt werden müssen. Deshalb: Geben Sie sich selbst die Anerkennung, die Sie verdienen!
    Unter Geltungsbedürfnissen hat Maslow auf der einen Seite die Anerkennung durch andere Menschen verstanden, andererseits aber auch das Bedürfnis nach Selbstachtung und einem stabilen Selbstwertgefühl.
    Als Angehörige eines demenzkranken Familienmitglieds habe ich kaum die Chance, meine Geltungsbedürfnisse zu erfüllen: Viele Menschen aus meinem sozialen Umfeld wissen nichts oder nur wenig von Demenzerkrankungen und können sich daher kaum vorstellen, welche Folgen die Erkrankung meines Familienangehörigen für mich hat. Bei ihren kurzen Besuchen zeigt sich der Kranke »mit einer guten Fassade«, d. h. von seiner besten, gesellschaftsfähigen Seite, weshalb sich ihnen die Situation gar nicht »so schlimm« darstellt, wie ich sie vielleicht geschildert habe. Die Besucher sagen mir dann Sätze wie: »Also, ich weiß gar nicht! Dein Mann sieht gar nicht aus, als ob er krank wäre!«, »Deine Mutter ist doch eine gepflegte Frau! Das kann doch gar nicht sein, dass sie in die Hose macht!«, »Der Vati kann doch noch so schön von früher erzählen! So schlecht kann sein Gedächtnis ja wohl nicht sein!« usw.
    Sicherlich entspringen die »unqualifizierten Äußerungen« nicht der Boshaftigkeit dieser Menschen! Doch immerhin führt ihre Unwissenheit dazu, dass ich für die Schwerstarbeit, die ich leiste, und die belastenden Gefühle – wie Trauer, Aggression und Schuldgefühle –, die ich immer wieder aushalten muss, keinerlei Anerkennung bekomme. Niemand sagt einmal: »Ich bewundere dich für deine Geduld, mit der du mit dem Kranken umgehst!«, »Ich habe allerhöchste Achtung vor dir und deinen Leistungen!«
    Doch die Anerkennung durch andere ist ja nur eine Seite der Geltungsbedürfnisse. Die andere Seite besteht aus Selbstachtung. Das Gegenteil von Selbstachtung bilden Selbstzweifel und Schuldgefühle. Und genau diese Selbstachtungskiller, Selbstzweifel und Schuldgefühl, plagen mich regelmäßig und belasten mich: Immer wieder fühle ich mich schlecht und schuldig aufgrund der negativen Gedanken, mit denen ich hin und wieder über den Kranken nachdenke, wegen meiner regelmäßig wiederkehrenden Wutausbrüche, angesichts meines Wunsches, einfach alles hinzuschmeißen und »abzuhauen«, aufgrund der Angst, nicht genug für den Kranken zu tun, wegen der Momente, in denen ich gegen den Willen des Kranken handeln muss oder angesichts der Zeiten, in denen ich die Betreuung des Kranken einem anderen Menschen

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