Am Abend des Mordes - Roman
fünfzig Journalisten eingefunden.
Eva Backman hatte bisher sechs Personen vernommen, die mit dem toten Schwedendemokraten mehr oder weniger in Verbindung gestanden hatten; in ihrem Notizblock waren zwöf weitere verzeichnet, und beim Gedanken an diese Gespräche empfand sie keinerlei Vorfreude. Am Vortag hatte sie noch zu später Stunde Sigmund Stiller gegenüber gesessen, dem zweiten Mann auf der kommunalen Liste der Partei, der Fängström, wie allgemein erwartet wurde, im Stadtrat ersetzen würde. Wenn sie daran zurückdachte, biss sie immer noch die Zähne zusammen.
Stiller hatte zwar nicht die Anwesenheit eines Anwalts verlangt, aber auf einen Leibwächter bestanden, da er davon ausging, dass er im Fadenkreuz linker Terroristen war, was er auch allen möglichen Medien gegenüber verkündet hatte. Im Übrigen vertrat er die Ansicht, dass jedem Schwedendemokraten im Land ein Leibwächter zugeteilt werden sollte, ein Vorschlag, der von der Parteiführung in Stockholm allerdings umgehend heruntergespielt wurde. Oder in Schonen oder wo auch immer; jedenfalls hatte Eva Backman schon nach wenigen Stunden der Ermittlungen gespürt, dass sie am liebsten Verkehrspolizistin oder Drogenfahnderin oder was auch immer gewesen wäre. Alles, nur keine Kriminalinspektorin, die in einem verzwickten Fall mit einem toten Rassisten ermittelte.
Sicher, seit die Schwedendemokraten Krawatten trugen und ins schwedische Parlament eingezogen waren, nannten sie sich nicht mehr Rassisten, aber auf kommunaler Ebene brauchte – zumindest in Kymlinge – niemand zu bezweifeln, welche Ansichten sie vertraten. In seinen knapp zwei Jahren im Stadtrat war es Raymond Fängström gelungen, seinen Mitbürgern zwei Dinge zu beweisen: Er hasste alle Menschen, die südlich der Alpen geboren waren, und er gehörte nicht unbedingt zu den hellsten Köpfen im Lande.
Es zeigte sich, dass Sigmund Stiller (Eva Backman hatte recherchiert, dass er eigentlich Jan Johansson hieß, jedoch einen anderen Namen angenommen hatte, nachdem man ihn in der Schule gemobbt hatte) seinem Parteiführer weder in der einen noch der anderen Hinsicht nachstand.
»Warum glauben Sie, dass es für Fängströms Tod politische Gründe gibt?«, hatte Backman ihn gefragt.
»Das liegt doch auf der Hand«, hatte Stiller ihr geantwortet. »Sie sind hinter uns her.«
»Wer ist sie?«
»Na die. Die Islamisten. Die Asylanten. Raymond wurde ermordet, das ist der Anfang des großen Rassenkriegs, kapiert?«
»Genau«, hatte sein Leibwächter ergänzt, der auf den Namen Hank hörte und aussah, als würde er hundertfünfzig Kilo auf die Waage bringen: »The hit has shit the fan.«
Nein, es schien ihr wirklich nicht richtig, Barbarotti auf Fängström anzusetzen.
»Davon soll er die Finger lassen«, meinte Asunander. »Stress kann er sicher nicht gebrauchen, was?«
»Jedenfalls nicht in zu großen Dosen«, erwiderte Backman.
Asunander senkte die Hände zum Schreibtisch und wühlte wieder eine Zeit lang. Schien es sich dann jedoch anders zu überlegen und hob eine braune Mappe aus der obersten Schreibtischschublade.
»Was hältst du hiervon?«
Er ließ die Mappe nicht los, sondern drehte sie nur so um, dass sie den Text auf der Vorderseite lesen konnte.
Arnold Morinder
Das war bloß ein Name, und sie erinnerte sich nicht sofort an die Begleitumstände. Es klingelte zwar irgendwo, aber sie war nicht beteiligt gewesen. Höchstens am Rande. Asunander öffnete die Mappe und murmelte etwas vor sich hin, das sie nicht verstehen konnte.
»Ich erinnere mich nur vage«, bekannte sie. »War das etwa der Typ mit dem blauen Moped?«
»Stimmt genau«, antwortete Asunander. »Ungefähr fünf Jahre ist das jetzt her. Wir haben nicht viel Klarheit in die Angelegenheit bringen können.«
»Ja, daran erinnere ich mich«, sagte Backman. »Aber an den Ermittlungen war ich nie wirklich beteiligt. Wurde der Fall damals nicht ziemlich schnell zu den Akten gelegt?«
»So ist es«, bestätigte Asunander, und um seinen Mund legte sich ein unzufriedener Zug. »Nicht aufklärbar. Bei den Ermittlungen kam rein gar nichts heraus. Aber der verdammte Bursche ist nie wieder aufgetaucht.«
»Menschen, die verschwinden«, stellte Backman fest. »Schwierig zu ermitteln.«
»Was du nicht sagst«, kommentierte Asunander.
Backman dachte nach. »Und was soll Barbarotti deiner Meinung nach daran ändern können?«
Asunander zuckte unbeholfen mit den Schultern. »Die Sache würde ihn beschäftigen. Lautete so nicht
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