Am Abend des Mordes - Roman
erklärte Backman. Und ob ich das habe, dachte sie. Mehr als einmal.
»Und?«, sagte Asunander.
Eva Backman überlegte einen Moment. »Ich weiß nicht recht, wie es ihm geht«, gestand sie. »Und auch nicht, inwiefern er verwendbar ist.«
»Er ist ein verdammt guter Polizist«, meinte Asunander. »Schwierig, aber gut.«
Und du bist ein verdammt schwieriger Chef, setzte Backman ihren inneren Monolog fort. Eventuell gut, aber definitiv schwierig.
»Da hast du recht«, sagte sie.
»Davon, dass einem die Frau so mir nichts, dir nichts stirbt, wird man natürlich nicht besser. Vermutlich wird man eher schwieriger.«
Er lehnte sich zurück und faltete die Hände im Nacken. Blickte zur Decke hinauf und schien seine letzte Behauptung zu überdenken.
Nicht besser, aber schwieriger ?
Eva Backman schwieg eine Weile und fragte sich, was Asunander eigentlich von ihr wollte. Ob er von ihr tatsächlich erwartete, dass sie Barbarotti beurteilte – oder ob er sie bloß gerufen hatte, weil die Lage ein wenig sondiert werden musste.
Aber Asunander gab sich selten damit zufrieden, die Lage im Allgemeinen zu sondieren, und ein Freund von Konversation war er auch nicht. Sie nahm an, dass er in dieser Frage trotz allem ihre Hilfe benötigte. Wollte er ihre wohlüberlegten Ansichten dazu hören, welche Arbeitsaufgaben man einem schwierigen, aber guten Kriminalinspektor übertragen sollte, dessen erst siebenundvierzigjährige Ehefrau verstorben war und ihn mit fünf halbwüchsigen Kindern und einer … einer Trauer allein gelassen hatte, von deren Ausmaß und Tiefe man sich wohl gar keine Vorstellung machen konnte. Ja, wahrscheinlich wollte Asunander, dass sie diese Nuss für ihn knackte.
»Er sollte vielleicht nicht gleich am Fall Fängström arbeiten«, sagte sie. »Das erschiene mir nicht richtig.«
Asunander nickte mürrisch, ohne den Blick von der Decke zu wenden. Ohne dass sie sich dagegen hätte wehren können, schob sich der Fall Fängström in Eva Backmans Bewusstsein, was allerdings nicht weiter verwunderlich war; er war erst achtundvierzig Stunden alt, und sie war ab der ersten Sekunde beteiligt gewesen. Raymond Fängström, 29 Jahre alt und alleinstehend, war am Sonntagmorgen von seiner treusorgenden Mutter tot auf dem Fußboden seiner Küche gefunden worden, als diese ihn besuchen wollte, um ihm im Haushalt zur Hand zu gehen. Putzen und bügeln und was auch immer. Sie hatte ihn mit den Armen unter sich auf dem Bauch liegend in der Passage zwischen Herd/Spüle und Kühlschrank/Gefrierschrank gefunden, und schon bald stand fest, dass er dort seit dem Vorabend gelegen haben musste. Er hatte sich einigermaßen ergiebig übergeben, und sein Kopf ruhte in einem Teil des Erbrochenen. Auf dem Tisch standen die Reste einer Mahlzeit; zwei Personen hatten allem Anschein nach Spaghetti mit Hackfleischsauce gegessen und sich eine Flasche Rotwein geteilt.
Wer Fängströms Essensgast gewesen war, wusste man noch nicht, aber der Polizeiarzt, ein gewisser Herbert Lindman, der normalerweise in wenigstens drei von vier Fällen richtig lag, hatte behauptet, dass die Chancen für eine Vergiftung ziemlich gut standen. Proben vom Wein, den Spaghetti und der Hackfleischsauce sowie von Fängströms Mageninhalt – sowohl vom Erbrochenen als auch vom Rest – waren ins Staatliche Kriminaltechnische Labor in Linköping geschickt worden, und die Ergebnisse würden demnächst eintreffen. Hoffentlich noch im Laufe der Woche.
Das Problem war nicht bloß, dass Raymond Fängström unter unklaren Umständen gestorben war. Das Problem bestand vielmehr darin, wer er war: Seit den Wahlen 2010 saß er für die rechtspopulistische Partei der Schwedendemokraten im Stadtrat von Kymlinge. Es waren bereits Stimmen laut geworden, die meinten, dass man es mit einem politischen Mord zu tun hatte. Dass Fängström ein Opfer böswilliger Kräfte am linken Rand des politischen Spektrums geworden war. Vielleicht ein Migrant, vielleicht ein Homosexueller, es gab zahlreiche Gegner der Politik und der fremdenfeindlichen Ansichten, die Fängström vertrat und im Stadtrat durchzusetzen versuchte, wo er die Rolle eines Züngleins an der Waage gespielt hatte.
Dass diese Stimmen eher lautstark als vielstimmig waren, spielte kaum eine Rolle, die Medien hatten die Sache sowohl vor Ort als auch landesweit aufgebauscht. Politische Morde kamen in Schweden eher selten vor, und so hatten sich bei der montäglichen Pressekonferenz im Polizeipräsidium von Kymlinge über
Weitere Kostenlose Bücher