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Am Anfang des Weges

Am Anfang des Weges

Titel: Am Anfang des Weges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Paul Evans
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Anoraks und mit Skimützen wuselten in dem Gebäude umher. Das Gedränge störte mich nicht mehr, auch wenn ich nicht das Gefühl hatte dazuzugehören.
    Ich nahm meinen Rucksack ab und betrat die Hütte. Als Erstes ging ich auf die Toilette, die mir in Anbetracht meiner Umstände wie ein unbeschreiblicher Luxus vorkam – vor allem das heiße Wasser. Ich rasierte mich nicht. Dafür war auf der Herrentoilette zu viel los. Aber ich wusch mir in aller Ruhe Gesicht und Hände mit dem warmen Wasser. Danach ging ich ins Restaurant, um etwas zu essen.
    Im Speiseraum herrschte bereits reger Mittagsbetrieb. Ich fand einen kleinen Tisch am Fenster, der noch frei war, und belegte ihn mit meinem Rucksack. Dann ging ich an die Theke, schnappte mir ein Plastiktablett und bestellte mir eine große heiße Schokolade, einen glasierten Donut, einen doppelten Chili-Cheeseburger und eine extragroße Portion Pommes frites mit Käse. Verglichen mit dem, was ich andernorts bezahlt hatte, war das Essen hier teuer, und ich benutzte zum ersten Mal meine Kreditkarte. Ich war froh, dass sie akzeptiert wurde, denn ich hatte keine Ahnung, wie viel Geld noch auf meinem Konto war.
    Ich trug das Essen zu meinem Tisch und machte mich darüber her. Als ich aufgegessen hatte, holte ich mir noch eine große heiße Schokolade und einen Apfelbeignet. Zum ersten Mal in meinem Leben löste eine solche Völlerei keine Schuldgefühle in mir aus. Ich nahm ständig ab und würde die Kalorien vermutlich noch vor dem Abendessen verbrannt haben.
    Ich zog meinen Parka aus und hängte ihn über die Stuhllehne. Dann saß ich einfach nur da, tauchte den Beignet in meine Schokolade und nahm die Atmosphäre in mich auf. Ich fragte mich, warum McKale und ich nie hierhergekommen waren.
    Am Tisch hinter mir saß eine Yuppie-Familie in todschicken Ski-Outfits. Die Eltern versuchten, ihre kleine Tochter zu überreden, wieder mit nach draußen zum Skifahren zu kommen. Sie wollte nicht, und sie sparte nicht an Stimme, um es ihre Eltern oder andere Leute im Speiseraum wissen zu lassen. Aber der Raum war so voll und der Geräuschpegel so hoch, dass kaum jemand auf ihr Geschrei achtete. Das Paar war hilflos. Zuerst versuchten sie, die Kleine mit einem Hello-Kitty-Parka zu bestechen. Sie erhöhten den Einsatz jedoch bald auf eine Karaoke-Maschine und fuhren schließlich das schwere Geschütz auf – ein kleines Hündchen. Aber das Mädchen war völlig außer Kontrolle (auch wenn es seine Eltern ganz offensichtlich unter Kontrolle hatte) und nicht mehr zu bändigen.
    Während ich über das Dilemma der Eltern nachdachte, kam ein kleiner, kegelförmiger Mann, dem der Latz seiner Skihose bis zur Taille herunterhing, in den Speiseraum gewatschelt. Irgendetwas an seiner Gangart und Statur kam mir bekannt vor. Als er seine Skibrille abnahm, schnürte es mir die Brust zu. Diese feuerroten Haare und die schmalen Lippen (und das frettchenartige Gesicht) kannte ich. Es war Ralph, mein ehemaliger Chefdesigner und Kyles neuer Partner.
    Er nahm nur drei Tische entfernt Platz. Sein Tisch befand sich in der Nähe der Tür, und seine Frau und seine Kinder saßen dort bereits beim Essen. Vermutlich war ich an ihnen vorbeigelaufen, als ich hereinkam. Ich wunderte mich, dass ich seine Frau Cheryl nicht erkannt hatte, aber noch mehr wunderte ich mich, dass sie mit ihm hier war. Im Laufe des letzten Jahres hatte ich die beiden nur selten zusammen gesehen, zum Teil, weil sie sich offenbar nicht besonders für seinen Beruf interessierte, aber vor allem vermutlich, weil er eine Affäre mit einer Frau hatte, die er ein Jahr zuvor auf einem Grafik-Kongress kennengelernt hatte. Ich weiß gar nicht, warum ich mich über seinen Verrat an mir so wunderte. Betrüger betrügen. Wie hatte ich davon ausgehen können, dass er mir gegenüber loyal sein würde, wenn er doch seine Frau betrog?
    Wut durchströmte und wärmte mich. Ich überlegte, ob ich ihm mit der Faust ins Gesicht schlagen oder ihn zur Rede stellen sollte, am besten beides. Aber während ich beobachtete, wie er sich mit seiner Frau und seinen Kindern unterhielt, entschied ich mich gegen beides. Ich trat ohnehin schon Wasser in einem Meer von Emotionen, und nach einem peinlichen Showdown vor seiner Frau und seinen Kindern – egal, wie sehr er es verdient hatte – würde ich mich auch nicht besser fühlen.
    Ich nahm meine Ray-Ban-Sonnenbrille aus dem Rucksack und setzte sie auf. Dann zog ich mir den Hut tief ins Gesicht und wurde unsichtbar. Während

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