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Am Anfang des Weges

Am Anfang des Weges

Titel: Am Anfang des Weges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Paul Evans
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davon.
    Nach weiteren zwei Meilen war kein Schnee mehr zu sehen, weder auf der Straße noch auf den Seitenstreifen. Das freute mich auch deshalb, weil es an der Zeit war, mein Lager aufzuschlagen. Nach meiner Karte lag irgendwo vor mir eine Stadt, aber ich wusste nicht, wie weit entfernt oder wie groß sie war und ob es dort überhaupt eine Übernachtungsmöglichkeit gab. Ich hoffte es. Ich war völlig durchgefroren und sehnte mich nach einem heißen Bad und einer Möglichkeit, meine verschwitzten Kleider zu waschen.
    Obwohl ich viel Zeit auf dem Pass vertrödelt hatte, hatte ich eine beträchtliche Strecke zurückgelegt, mehr als an allen Tagen zuvor – fast 30 Meilen. Meinen Beinen ging es so weit gut, nur meine Knie schmerzten ein wenig vom Bergabgehen.
    Als ich um eine Kurve kam, sah ich plötzlich etwas im Wald. Nicht weit hinter einer Abzweigung, einem unbefestigten Kiesweg, stand ein Stück zurückgesetzt zwischen den Bäumen eine Reihe baufälliger gelber Hütten. Sie sahen aus, als seien sie früher als Ein-Zimmer-Unterkünfte an Skifahrer vermietet worden, aber ganz offensichtlich wurden sie schon seit vielen Jahren nicht mehr benutzt. Eine der Hütten war bereits eingestürzt. Ihr Dach lag jetzt auf der Erde, die Asphaltziegel von Moos und Blättern bedeckt. Die anderen Hütten befanden sich in unterschiedlichen Stadien des Verfalls.
    Irgendetwas an diesem Ort machte mir Angst, und als ich mich der ersten Hütte näherte, durchzuckte mich auf einmal der makabre Gedanke, dass ich dort drinnen auf irgendetwas stoßen könnte, was ich lieber nicht sehen wollte. Die Hütten erinnerten mich an die Orte, an denen Serienkiller in den »Wahre-Verbrechen«-Geschichten irgendwelche Dinge versteckten. Ich wusste nicht, wieso ich ausgerechnet daran denken musste.
    Ich warf einen Blick in die erste Hütte. Leichen lagen nicht darin, aber es war offensichtlich, dass ich nicht der erste Mensch war, der diesen Ort entdeckt hatte. Der Raum war ein menschengroßes Rattennest, in dem aller mögliche Müll herumlag – geleerte Bierflaschen, eine verschimmelte Matratze, eine Armeejacke, die Rückbank eines Ford Pinto, ein lila BH, leere Plastikflaschen, in denen einmal Frostschutzmittel gewesen war, und zerrissene Zeitungen.
    Ich warf einen Blick in die anderen Hütten. Auch sie hatten Holzböden, die übersät waren mit den eklektischen Hinterlassenschaften früherer Bewohner. In zwei der Hütten sah man noch Reste des ursprünglichen Teppichs – vermodert und mit schwarzen Schimmelflecken übersäht, sodass sie wie ein Leopardenfell aussahen.
    Die Fenster waren alle herausgeschlagen worden und boten kaum Schutz. Aber allein ein Dach über dem Kopf zu haben gibt einem schon ein gewisses Gefühl von Sicherheit.
    Ich entschied mich für die Hütte, die den stabilsten Eindruck machte und einen noch intakten offenen Kamin hatte. Ich inspizierte die Feuerstelle und den Rauchabzug, dann sammelte ich etwas Brennholz und entfachte ein Feuer. Die Feuerstelle war voller nasser Blätter und der Abzug teilweise verstopft, sodass der Rauch zurück ins Zimmer quoll, was allerdings kein großes Problem war, da sowohl das Dach als auch die Wände Löcher hatten.
    Das Feuer, das die Hütte mit Licht und allmählich auch mit Wärme erfüllte, war ein wunderschöner Anblick. Ich fragte mich, ob in der Nacht irgendjemand das Feuer bemerken würde, aber ich machte mir keine Sorgen deswegen. Die Leute, die vorbeifuhren, wollten irgendwohin. Sie hatten nicht die Zeit, sich über solche Dinge den Kopf zu zerbrechen.
    Ich rollte meine Isomatte und meinen Schlafsack aus, dann wühlte ich in meinem Rucksack nach einem Abendbrot. Ich hatte nicht mehr viel zu essen – einen Apfel, etwas Dörrfleisch, Studentenfutter und zwei Energieriegel. Ich hätte mir oben in dem Skiort etwas kaufen sollen. Das hatte ich auch vorgehabt, aber dann hatte ich es ja auf einmal eilig, von dort wegzukommen. Ich aß das Studentenfutter und das Dörrfleisch auf, dann lehnte ich mich zurück und aß in aller Ruhe meinen Apfel.
    In gewisser Weise hatte ich einen Sieg errungen. Vor dem Schnee und dem Berg hatte mir mehr gegraut, als ich mir selbst eingestanden hatte, aber eigentlich war es gar nicht so schlimm gewesen. Ich hätte gern jemandem erzählt, was ich geschafft hatte, aber es war niemand da, der es hören wollte. McKale hätte alles darüber wissen wollen.
    Ich warf das Kerngehäuse des Apfels ins Feuer und kroch zum Schlafen in meinen

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