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Am Anfang des Weges

Am Anfang des Weges

Titel: Am Anfang des Weges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Paul Evans
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ich meine heiße Schokolade schlürfte, sahen sowohl Ralph als auch Cheryl mehrmals in meine Richtung, aber keiner von beiden erkannte mich. In meinem Aufzug und mit meinem struppigen Gesicht hätte ich Brad Pitt sein können, und mich hätte trotzdem niemand erkannt.
    So nah bei Ralph zu sitzen, verdarb mir leider die Freude an meinem Aufenthalt. Ich trank meine Schokolade aus, schlüpfte wieder in meinen Parka und schulterte meinen Rucksack. Als ich an Ralphs Tisch vorbeikam, hörte ich ihn zu seinem ältesten Sohn, Eric, sagen: »Wo hast du dieses Ding denn her?«
    Eric, ein strohblonder zwölfjähriger Junge, spielte mit einem Radio und sah trotzig auf. »Nirgends. Jemand hat es auf dem Tisch da liegen lassen.«
    »Na, dann leg es wieder hin«, sagte Ralph. »Es gehört dir nicht.«
    »Bleib locker«, sagte Cheryl. »Er hat es doch nur gefunden.«
    »Das ist mir egal. Es gehört ihm nicht.«
    Die Gelegenheit war zu schön, um sie sich entgehen zu lassen. Es war, als hätte mir das Schicksal eine Steilvorlage gemacht. »Er hat Recht«, sagte ich zu Eric. »Du willst doch nichts an dich nehmen, was dir nicht gehört. Das wäre doch nicht richtig.« Ich sah Ralph an. »Oder?«
    Ralph und Cheryl sahen mich an, die Augen irritiert zusammengekniffen. »Entschuldigen Sie?«, sagte Ralph.
    »Nein, das werde ich nicht tun.« Ich beugte mich vor. »Weißt du, Ralphie, es spielt keine Rolle, wen du betrügst, Cheryl oder mich. Der Lohn fürs Betrügen ist, dass man jeden Abend mit einem Betrüger ins Bett geht.«
    Ich wandte mich ab und verließ die Hütte. Ich war sicher, dass Ralphs Augen an meinem Rücken klebten. Vermutlich dämmerte ihm langsam, wer ich war, aber ich war jetzt das geringste seiner Probleme. Wenigstens würden er und Cheryl endlich etwas haben, worüber sie reden konnten.
    Kühle Luft empfing mich, als ich wieder ins Freie trat und hinunter zur Straße ging. Auf der Ostseite des Passes ging es immer nur bergab, ein klarer Vorteil, wenn man zu Fuß unterwegs ist – nur dass die Bedingungen auf dieser Seite des Berges weniger günstig und die Linien, die den Wanderweg markierten, zugeschneit waren. Ich war mir nicht sicher, ob es wirklich die Ostwinde waren, die für die ungünstigen Bedingungen auf dieser Seite des Berges gesorgt hatten, denn der Pass war zugleich die Grenze zwischen King County und Chelan County, daher lag es vielleicht eher an der Politik als am Wetter. Selbst mit den Profilsohlen an meinen Stiefeln erwies sich die Straße als rutschig, und als ich das Skigebiet wieder verließ, rutschte ich aus und fiel hin, genau vor einer Reihe von Autos, was eher peinlich als schmerzhaft war. Ich hoffte nur, dass Ralph mich nicht dabei gesehen hatte. Noch zweimal wäre ich um ein Haar gestürzt, und ich begann im Geist bereits, eine geharnischte Beschwerde an das Straßenbauamt des Bezirks zu verfassen.
    Zum Glück war ich bis zum Spätnachmittag bereits auf eine Höhe von 2800 Fuß abgestiegen, wo deutlich weniger Schnee auf der Straße lag. Nur hin und wieder gab es ein paar verharschte Stellen, über die ich mühelos hinwegstieg.
    Immer wieder kehrten meine Gedanken zurück zu meiner Begegnung mit Ralph. Ich fragte mich, ob Cheryl bereits gewusst hatte, dass er sie betrog. Ich bereute nicht, was ich gesagt hatte. Rache, so heißt es, ist ein Gericht, das am besten kalt serviert wird. Ich habe keine Ahnung, was damit eigentlich gemeint ist, aber angesichts der Tatsache, dass wir uns in einem Skigebiet befanden, kam mir das Sprichwort besonders treffend vor. Ich hätte auf jeden Fall noch viel Schlimmeres anrichten können.
    Es dämmerte bereits, als ein den Berg herunterkommender Acura MDX neben mir sein Tempo verlangsamte. Ein junges blondes Mädchen steckte den Kopf aus dem Beifahrerfenster. »Sollen wir Sie mitnehmen?«, fragte sie. Ich vermutete, dass sie getrunken hatte. Aus dem CD-Player des Wagens dröhnte Coldplay.
    »Nein, danke.«
    »Wohin wollen Sie?«
    »Florida.«
    »Wohin will er?«, fragte die Fahrerin, ebenfalls ein junges Mädchen. Ich hoffte, dass wenigstens sie nicht getrunken hatte. In diesem Augenblick tauchte hinter ihnen ein Wagen auf. Er hupte und scherte dann aus, um sie zu überholen.
    »Florida, hat er gesagt«, antwortete die Blondine am Fenster.
    Die Fahrerin sagte etwas, was ich nicht hören konnte. Dann beugte sich das Mädchen wieder aus dem Fenster. »Wir fahren Sie hin.«
    »Danke. Ich gehe lieber zu Fuß.«
    Sie lachte. »Viel Spaß dabei.«
    Der Wagen schoss

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