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Am Anfang war das Wort

Am Anfang war das Wort

Titel: Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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diesen: ›Und er in seiner Güte ließ in mir nichts, was sterben wird.‹ Hier finden Sie keine klare Aufteilung zwischen konkret oder abstrakt, sondern es ist dem Text inhärent, im Zusammenspiel substantialisieren sie den Eindruck. Das ist einer der poetischsten und aufregendsten Sätze, die ich je gelesen habe.«
    Klein trank den dampfenden Kaffee mit einem Schluck. Auf seinen Lippen blieben Spuren zurück. »In ihren Gedichten ist nichts von all den Dingen, über die ich gesprochen habe, und vermutlich wird auch nie etwas darin sein, so leid es mir tut.«
    Um fünf Uhr nachmittags verließ Michael Ochajon Kleins Haus. Klein brachte ihn zum Auto, während er eine bekannte Melodie vor sich hin summte. Erst an der Kreuzung von Terra Santa, vor der Ampel, fiel Michael ein, welche Melodie es war: Sarastros Arie aus der Zauberflöte, einer seiner Lieblingsopern.
    Es war noch immer heiß, und die Straßen waren voller Menschen, die sich nicht um Tote und Mörder kümmerten.
     
    »Dein Sohn läßt dir ausrichten, daß er im Büro der Gesellschaft für Naturschutz ist. Er war hier und hat mich gebeten, dir zu sagen, du könntest ihn dort treffen, wenn du rechtzeitig zurückkommst. Das Büro ist neben der Hypothekenbank, du weißt ja«, sagte Avram von der Zentrale in einem vertraulichen Tonfall. Er wußte es, aber was hieß »rechtzeitig«? Bis wann wollte Juval dort sein? »Bis sechs, hat er gesagt. Er ist erst vor ein paar Minuten rausgegangen«, erklärte Avram.
    Michael fuhr zum Büro der Gesellschaft für Naturschutz. Er parkte das Auto neben der Hypothekenbank und betrat den großen, von Gebäuden umgebenen Hof. Noch eines der Schlösser, die Prinz Sergio gebaut hatte. Ein zufälliger Passant, der Jerusalem nicht kennt, würde sich nicht im Traum vorstellen, was sich hinter diesen Fassaden verbirgt, dachte Michael. Ein großes, altes Tor in einer Mauer an einer Hauptstraße, und wenn man hindurchgeht, betritt man eine andere Welt. Wie betäubt steht man in einem Innenhof, vor dem Schloß, als ob die Geister von damals einen auffordern würden, das prächtige Gebäude zu betreten.
    Erst saß Michael auf einem Holzklotz vor dem Schloß und wartete, daß Juval endlich fertig würde und aus dem Bungalow im Hof, wo die Gesellschaft für Naturschutz ihr Büro hatte, herauskäme. Dann stand er auf und lief in dem staubigen Hof herum. Ein Flügel des Gebäudes diente als Landwirtschaftsministerium, aber Michael zog es zu dem zerstörten Flügel des Schlosses, dem unbewohnten. Dort stand er und spähte durch die Ritzen der mit Brettern vernagelten Fenster, an denen sich Efeu emporrankte. Er ging hinein. In den Zimmern war es dämmrig, trotzdem konnte er Zeichnungen erkennen, das Fresko mit dem russischen Muster an der Decke des großen Zimmers. Es gab auch ein altes Badezimmer mit Resten von armenischen Keramikkacheln. Die Badewanne stand auf vier eisernen Löwenpranken. Die Sohlen von Michaels Sandalen knirschten auf den großen Fliesen. Er betrat ein anderes Zimmer und betrachtete erstaunt die Papiere, die überall auf dem Boden verstreut waren. Er hob ein vergilbtes Blatt auf und studierte die mit einer Feder geschriebenen kyrillischen Buchstaben. Schon oft hatte er bedauert, daß er seinen Einführungskurs in Russisch abgebrochen hatte, aber damals hatte er Latein lernen müssen, für das Studium des Mittelalters, das hatte seine ganze Zeit beansprucht. Er ließ das Blatt auf andere, ebenfalls vergilbte Blätter fallen.
    Dann trat er aus dem Schloß hinaus ins Sonnenlicht. Es war fast sechs und noch immer sehr hell, obwohl das Licht schon weicher und blasser geworden war. In der Tür des Bungalows der Gesellschaft für Naturschutz stand Juval und blickte sich suchend um. Erst als Michael näher kam, wich der besorgte Ausdruck aus seinem Gesicht. »Ich habe nicht gewußt, ob ich dich erwische, ich brauche Geld für den Ausflug, von dem ich dir erzählt habe, in die judäischen Berge.«
    »Das ist alles?« fragte Michael und legte seinen Arm um Juvals Schultern, die von Tag zu Tag breiter wurden.
    Zusammen betraten sie das Büro. Ein junger Mann mit kurzen Hosen stand dort und erzählte begeistert von einem seltenen Vogel, den er bei seiner letzten Beobachtungstour entdeckt hatte.
    Michael dachte an seinen Freund Usi Rimon aus dem Tauchclub, als er den Scheck ausschrieb und ihn einem der beiden Mädchen in Jeans reichte. Sie lächelte ihn freundlich an und gab Juval die Quittung. Juval faltete sie zusammen und steckte

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