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Am Anfang war die Mail

Am Anfang war die Mail

Titel: Am Anfang war die Mail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Nasir
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schlenderte ich zur Hauptstraße und guckte mich um. Vielleicht gab es ja irgendwo ein Café in der Nähe. Da entdeckte ich ein paar Plakate, die an eine Litfaßsäule geklebt waren. Darauf stand, dass ›DTA‹ ab 16 Uhr für eine Autogrammstunde im ›Buyland‹ seien.
    Hm, ich wusste zwar nicht wer oder was das ›Buyland‹ war, aber ich hatte eine Vorstellung. Poster oder andere Gegenstände, die ich mir signieren lassen konnte, hatte ich nicht mitgenommen. Jedoch besaß ich meine Kamera und genügend Zeit. Ich schaute mich um und sah ein älteres Pärchen an einer Bushaltestelle stehen. Als ich mich erkundigte, wo das ›Buyland‹ zu finden sei, wurde ich positiv überrascht. Zu Fuß waren es nur fünfzehn Minuten, und so konnte ich mein Auto stehen lassen. Auf dem Weg zu diesem Kaufhaus, hatte ich ein leichtes Kribbeln im Bauch. Meine Hände schwitzten. Aber ich würde ja niemandem die Hand geben müssen. Es dauerte nicht lange, da konnte ich das Zentrum schon sehen. Bei der Vorstellung, dass Joshua in dem Gebäude war, fühlte ich einen eigenartigen Knoten im Magen.

    Als ich den klimatisierten Komplex betrat, blieb ich überrascht stehen. Die Menge der aufgeregten Mädchen erstaunte mich sehr. Da waren Hunderte. Sie standen alle hintereinander und bildeten eine riesige Schlange aus Leibern. Ich konnte überall Fotoapparate, CDs und Poster erkennen. Und was absolut nicht zu übersehen war: der Berg an nackter Haut. Meine Güte, die Mädchen hatten alle kaum etwas an. Okay, die waren im Schnitt mit Sicherheit fünf Jahre jünger als ich, aber in meiner Jeans und dem leichten Pulli wirkte ich neben denen wie 40 ... und nicht wie 20.

    Als ich den ersten Schock verdaut und meine Gesichtsmimik wieder unter Kontrolle hatte, schlenderte ich umher und schaute mir alles an. Es gab eine Vielzahl von kleinen Geschäften, Bistros und Cafés. An allen Seiten führten Rolltreppen und Aufzüge in die oberen Stockwerke. Das Gebäude bestand überwiegend aus Glas und wirkte dadurch sehr transparent. Im Untergeschoss, wo ich mich befand, war in der Mitte ein Podium aufgebaut. Ein langer Tisch mit fünf Stühlen stand darauf. Ich konnte sehen, dass dieser Bereich mit dicken, roten Seilen abgesperrt war. Dort würde in knapp 40 Minuten Joshua sitzen. Er würde sich im selben Gebäude befinden wie ich. Die gleiche Luft atmen. Wahnsinn!

    Als mein Blick wieder auf den Berg halbnackter Jungfrauen fiel, fragte ich mich grimmig, woher die alle von den Jungs wussten. Für mich war die Band ein ultimativer Geheimtipp, und hier sah ich zig Konkurrentinnen, die sogar Fotos dabei hatten, auf denen sie mit den Mitgliedern abgelichtet waren. Manno, wieso hatte ich eigentlich nie Glück? Und wieso waren diese Kinder für mich Konkurrenz? Ich ertappte mich dabei, wie ich mich da in etwas hineinsteigerte.
    ›Tief durchatmen, Nadia! Dir gefällt die Musik! Du stehst nur auf die Musik! Du bist zu alt, um dich in einen Popstar zu verknallen!‹

    Ich lief weiter um das Podium herum und überlegte, wo ich mich postieren könnte. Für ein Autogramm wollte ich mich auf keinen Fall anstellen. Auf meinem Erkundungstrip entdeckte ich ein kleines Café. Dort bestellte ich mir einen großen Milchkaffee to go. Mit dem warmen Becher in der Hand fühlte ich mich besser … und erwachsener.
    Ganz nach dem Motto: »Seht ihr, ich darf sogar schon Kaffee trinken!«
    Ich durchquerte die Eingangshalle erneut und positionierte mich schließlich seitlich. Von dem Standpunkt aus hatte ich einen guten Blick auf den ganzen Tisch. Wenn ich Glück haben sollte, würde Joshua genau an dem Rand sitzen, von dem ich nur wenige Meter entfernt stand. Überall hörte man aufgeregtes Geschnatter. Zwischendurch ertönte einer der Vornamen der Jungs, und einige Mädels lachten oder kreischten. Ich wünschte sie alle weit weg. Ich wollte die Band für mich alleine haben. Ich konnte nicht begreifen, wie so junges Gemüse auf erwachsene Jungs stehen konnte.
    »Du bist ja eifersüchtig«, sagte eine kleine innere Stimme belustigt.
    ›Ich? Eifersüchtig? Auf die Kids? Quatsch, … nur tot wären sie mir halt lieber.‹
    Ich rümpfte die Nase und dachte mir, dass die meisten hier die tiefgründigen Texte nicht verstanden. Pisa-Studie lässt grüßen. Hauptschule auf Wandertag!
    In den liebreizenden Gedanken verloren, trank ich meinen Kaffee. Die Leute um mich herum rückten mir immer näher auf die Pelle. Ich fühlte mich irgendwann total eingeengt. Gerade als ich etwas sagen

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