Am Ende Der Straße: Roman
nicht einmal das konntest du für mich tun.«
»Christy …«
»Spar’s dir, Robbie. Ist egal. Du wirst tun, was du tun musst, richtig?«
»So ist das nicht.«
»Mir kommt es aber verdammt nochmal so vor.«
»Irgendjemand muss doch etwas tun, Christy. Ich meine, was wäre denn die Alternative? Einfach hier rumsitzen, high werden und darauf warten, was als Nächstes passiert? Danke, ich verzichte. Du warst nicht da draußen heute. Du hast nicht gesehen, was auf diesen Straßen abgeht. Die Leute drehen völlig durch, Süße. Das ist
nicht mehr Walden. Da draußen ist es wie im Gazastreifen, verdammt.«
Sie antwortete nicht, wandte sich aber auch nicht ab. Ich kam näher, setzte mich auf die Bettkante und strich ihr über die Haare. Ich spürte, wie sie sich langsam entspannte.
»Was ist das für ein Geräusch?«, fragte sie, um das Thema zu wechseln – was sie oft tat, wenn sie nicht weiter streiten wollte.
»Ich weiß nicht. Für mich klingt es wie ein Automotor. Soll ich rausgehen und nachsehen?«
Seufzend zuckte sie mit den Schultern. »Wenn es sein muss. Ich kann dich ja sowieso nicht aufhalten.«
»Das ist nicht wahr. Wenn du nicht willst, dass ich nachsehe, werde ich auch nicht nachsehen. Dann bleibe ich hier.«
»Nein.« Sie rollte sich wieder herum. »Geh ruhig. Wahrscheinlich ist es nichts Besonderes. Aber sei vorsichtig, ja?«
»Versprochen.«
Ich beugte mich vor und küsste sie auf die Stirn. Christy erwiderte den Kuss nicht. Stirnrunzelnd stand ich auf. Meine Knie knackten. Ich ging zur Tür und schaute noch einmal über die Schulter zurück. Sie hatte ihr Gesicht wieder abgewandt.
Ich tastete mich zum Wohnzimmerfenster vor, schob mit dem Zeigefinger die Lamellen der Jalousie auseinander und spähte hinaus. Vor unserem Haus stand ein großer Sattelschlepper am Straßenrand. Es war nur das Führerhaus, er hatte keinen Anhänger. Obwohl die
Scheinwerfer abgeschaltet waren, konnte man leicht erkennen, dass der Motor lief. Aus den Auspuffrohren quollen Abgase, und die Vibrationen der Maschine ließen das Fensterbrett beben.
»Das ist es also«, flüsterte ich. »Aber was soll der Scheiß?«
Während ich eine Taschenlampe und meinen Baseballschläger nahm, wünschte ich mir, Russ seinen Revolver nicht zurückgegeben zu haben. Dann schlich ich zur Haustür runter und ging nach draußen. Die Straße war, zumindest auf dem Stück, das ich überblicken konnte, verlassen — wenn man bedachte, wie dunkel es war, war dieses Stück allerdings nicht sehr groß. Hier draußen war es merklich kühler, und ich zitterte. Auf meinen Armen bildete sich Gänsehaut. Ich ging vorsichtig auf den Truck zu und versuchte mit zusammengekniffenen Augen zu erkennen, ob jemand im Führerhaus saß. Dann entdeckte ich einen winzigen, glühenden Punkt und erkannte einen Moment später, dass es sich um die Spitze einer brennenden Zigarette handelte.
Ich fragte mich, was ich mit dem Schläger anstellen sollte – hochnehmen und zum Schlag bereithalten, oder besser locker runterhängen lassen? Wenn ich ihn hochnahm, würde der Mensch in dem Truck wissen, dass ich bewaffnet war. Wenn er aber nichts Böses wollte, würde ihn das erschrecken. Und wenn er eine Waffe besaß? Ich ließ den Arm sinken und hielt den Schläger locker am Griff. Dann hob ich die Taschenlampe und leuchtete durch das Beifahrerfenster in die Fahrerkabine. Die Gestalt drinnen schaute hoch und schirmte mit einer Hand die Augen ab. Die Zigarette glühte heller.
Mit einem elektrischen Summen fuhr das Fenster herunter. Dann hustete der Mensch in dem Truck.
»Kann ich dir helfen, Kumpel?«
»Tut mir leid«, entschuldigte ich mich. »Ich habe Sie hier sitzen sehen und dachte, Sie bräuchten vielleicht Hilfe.«
»Wenn du mir helfen wolltest, wozu dann der Baseballschläger? «
»Ähm …« Ich zögerte kurz. »Falls Sie doch etwas anderes wollen als Hilfe.«
Der Mann lachte und bekam wieder einen Hustenanfall. Es klang, als würde er gleich seine Lunge rauswürgen. Als der Anfall vorbei war, lachte er erneut.
»Komm rüber«, rief er. »Aber ich warne dich, ich bin bewaffnet. Mach also keinen Blödsinn. Und halt deinen Schläger still.«
»Klingt fair.«
Ich ging zur Straße, auf den geparkten Truck zu. Dabei fiel mir auf, dass das Gras trocken war. Normalerweise hätte es um diese Zeit feucht sein müssen vom Tau. Ich fragte mich, was das zu bedeuten hatte. Als ich mich näherte, konnte ich den Fahrer des Trucks langsam richtig erkennen. Er war
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