Am Ende Der Straße: Roman
gewesen wäre …«
»Dir war einfach nicht danach, richtig?«
Tony runzelte die Stirn. »Verurteilst du mich etwa?«
»Überhaupt nicht. Ich habe mich auch schon so gefühlt. Gestern hätte ich die Chance gehabt, eine Mutter davon abzuhalten, ihr Baby über die Stadtgrenze zu
bringen. Doch stattdessen habe ich sie gehen lassen. Ich habe keine Ahnung, warum. Kann es einfach nicht erklären. Ich weiß nur, dass mich so ein Gefühl überkommen hat und mir plötzlich alles egal war. Für einen Moment schien alles so sinnlos und verdammt hoffnungslos zu sein, verstehst du?«
Tony nickte. »Ja, ich verstehe. Ich dachte, das ginge nur mir so. Habe schon befürchtet, ich werde vielleicht verrückt.«
»Wenn es so ist, dann geht es uns anderen auch nicht besser, denn meine Freunde haben es ebenfalls gespürt.«
»Irgendeine Ahnung, wodurch das verursacht wird?«
»Ich schätze, es ist die Dunkelheit. Eine andere Möglichkeit wüsste ich nicht.«
»Wie kann die Dunkelheit dafür sorgen, dass wir uns so fühlen? Sie ist schließlich kein Lebewesen.«
»Warst du schon draußen am Stadtrand?«
»Ja. Wie gesagt, ich bin heute überall in Walden herumgefahren. «
»Hast du… irgendwas gesehen, als du am Rande der Dunkelheit angekommen warst? Oder etwas gehört?«
Tony nickte. »Kennst du dieses Signal, das immer im Radio und im Fernsehen ausgestrahlt wird, wenn sie das öffentliche Notfallprogramm testen? Dieser lange Pfeifton? Nach dem sie einem dann immer erzählen, das sei nur ein Test und im Falle einer echten Notsituation, bla, bla, bla?«
»Das hast du gehört?«
»Ja. Diesen Ton fand ich immer total unheimlich, als kleines Kind schon. Liegt vielleicht daran, dass ich in
den siebziger und achtziger Jahren aufgewachsen bin, also gegen Ende des Kalten Krieges. Ich weiß noch, wie ich als Kind The Day After gesehen habe. Seitdem habe ich Angst vor diesem Notfallsignal. Ich dachte immer, es würde bedeuten, dass die Welt untergeht. Manchmal hatte ich sogar Alpträume davon. Dann bin ich zitternd und schweißgebadet aus dem Schlaf hochgeschreckt. Eines ist allerdings seltsam: Als ich es heute gehört habe, war das nur am Stadtrand. Jedes Mal, wenn ich wieder nach Walden reingefahren bin, hat es aufgehört. Es muss also irgendwo aus der Dunkelheit gekommen sein. Und da die Radios und all das nicht funktionieren, wusste ich, dass es auch nicht daher kommen konnte. Wer auch immer das ausgestrahlt hat, sendete den Ton laut genug, dass ich ihn in der geschlossenen Fahrerkabine hören konnte, und er schien aus allen Richtungen zu kommen. Es war völlig egal, auf welcher Seite der Stadt ich gerade war – Norden, Süden, Osten oder Westen. Das Geräusch war jedes Mal da.«
»Hast du auch irgendwas gesehen? Vielleicht jemanden aus deiner Vergangenheit oder so? Jemanden, der dir nahestand? «
Tony sah mich verwirrt an. »Nein, da war nur dieses Signal. Warum?«
»Du würdest es mir nicht glauben, wenn ich es dir sage.«
»Hast du in letzter Zeit mal da rausgeschaut, Mann? Ich bin inzwischen bereit, eine Menge Mist zu glauben, den ich letzte Woche noch nicht geglaubt hätte. Versuch’s doch mal.«
Da mir bewusst wurde, dass meine Zigarette bis zum Filter runtergebrannt war, öffnete ich das Fenster so weit, dass ich sie auf den Bürgersteig werfen konnte. Dann fuhr ich das Fenster wieder hoch und holte tief Luft. Ich überlegte, ihn um eine zweite Zigarette zu bitten, entschied mich dann aber dagegen. Ich wusste nicht, wie viele er noch hatte oder wann er sich wieder welche besorgen konnte. Also erzählte ich ihm einfach, was passiert war.
»Vorgestern sind meine Freundin, mein Nachbar und ich raus zur Stadtgrenze gefahren. Jeder von uns hat jemanden aus seiner Vergangenheit gesehen. Mein Nachbar Russ seine Exfrau, meine Freundin und ich Tote.«
»Du meinst Geister?«
»Nicht so richtig.«
»Zombies?«
»Komm schon.« Ich rollte die Augen. »Ist das dein Ernst?«
»Na ja, du hast doch gesagt, sie waren tot.«
»Waren sie auch. Aber es waren keine Zombies oder Geister. Die Darstellungen von ihnen, die wir in der Dunkelheit gesehen haben, waren nicht real. Das waren nicht wirklich sie. Es war etwas anderes, das versucht hat, uns auszutricksen.«
»Und was ist mit der Exfrau von deinem Nachbarn? War sie auch tot?«
»Sie war noch am Leben, zumindest bevor das alles… passiert ist. Er weiß nicht, ob sie noch lebt.«
»Dann war sie also real? Die Version von ihr, die er da draußen gesehen hat?«
»Nein, das
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