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Am Ende der Straße

Am Ende der Straße

Titel: Am Ende der Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
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von hinten an ihn heranschlichen, um ihm dann ihre angespitzten Besenstiele in den Hintern zu stechen. Schreiend fiel der Mann zu Boden. Seine Angreifer lehnten sich auf ihre improvisierten Speere und trieben die Waffen tiefer in sein Fleisch. Kurz überlegte ich, ob ich mich einmischen sollte – einfach das Feuer eröffnen und sie abknallen wie tollwütige Hunde – , aber ich widerstand dem Drang. Ich konnte es mir nicht leisten, Aufmerksamkeit zu erregen, und außerdem wollte ich keine Munition verschwenden. Ich sah einen Junkie, der sich gerade einen Schuss setzte. Sein rechtes
Bein schien vom Knie abwärts geschwollen zu sein und sprengte fast das Hosenbein seiner Jeans. Er stank – und das war kein schlichter Körpergeruch, sondern ein tief sitzender, dumpfer Gestank. Die Ausdünstung einer Infektion. Verwesungsgeruch. Dann erkannte ich, dass der Geruch nicht nur von ihm ausging.
    Es war die gesamte Stadt.
    Und Walden war nicht das Einzige, was hier starb. Während ich durch die Straßen lief, fiel mir noch etwas anderes auf. Die Pflanzen gingen langsam ein. Ohne Sonnenlicht oder Regen vertrockneten und verkümmerten sie. Ihre Zweige hingen schlaff herunter, und die früher üppigen Blätter hatten sich vor Trockenheit aufgerollt. Während dieser Jahreszeit hätten sie sich sowieso nach und nach verfärbt, doch statt von Grün zu Rot, Orange und Gelb zu wechseln, wurden sie einfach braun. Ich fragte mich unwillkürlich, wie sich dieser Lichtmangel auf uns auswirken würde. Ein drastischer Rückgang an Hautkrebspatienten schien mir der einzige positive Effekt zu sein, doch statt an Melanomen zu sterben, würden wir einfach von der Dunkelheit gefressen werden – oder von jemandem umgebracht werden, den sie in den Wahnsinn getrieben hatte. Irgendwo da oben, über diesem schwarzen Vorhang, musste die Sonne scheinen. Wenn nicht, wären wir inzwischen alle erfroren. Doch wenn sie da war, bekamen wir nicht alle positiven Auswirkungen zu spüren. Wissenschaftlich betrachtet ergab das alles keinen Sinn – zumindest für mich nicht.
    Ich schaffte es, mich ohne Zwischenfälle durch die Stadt zu schleichen, und näherte mich schließlich vorsichtig
den Ruinen der Kirche. Der Geruch von Rauch und verkohltem Holz hing noch in der Luft, und auch wenn kein Wind ging, glaubte ich die Asche in meiner Kehle zu spüren. Bis auf eine magere Katze, die durch die Trümmer spazierte, war die Ruine völlig verlassen. Als das Tier mich bemerkte, ergriff es die Flucht. Da die Luft hier rein war, überlegte ich, ob ich die Taschenlampe einschalten sollte, entschied mich dann aber dagegen.
    Der verfallene Werkzeugschuppen, den Dez sein Heim nannte, stand am anderen Ende des Grundstücks, direkt hinter dem Kirchenparkplatz am Rand einer kleinen Gasse. Das kleine Bauwerk hatte schon bessere Tage gesehen. Wenn das Feuer sich hier statt in der Kirche ausgetobt hätte, wäre es ein Segen gewesen. An diversen Stellen blätterten vier verschiedene Farbschichten in unterschiedlichen Lagen ab und gaben den Blick auf graue, vom Wetter gebeutelte Holzlatten frei. Insgesamt entstand der Eindruck, als hätte das Gebäude die Lepra. Es fehlten ganze Reihen von Dachziegeln, und ein Loch im Boden zeigte an, wo Schädlinge sich unter der Wand durchgebuddelt hatten, um hineinzukommen.
    An der Tür war weder ein Schloss noch ein Riegel zu sehen. Ich schlich mich näher heran und lauschte dabei angestrengt auf irgendwelche Geräusche, doch in der Gasse blieb alles ruhig. Auf die Tür war ein verblasstes Zeichen gemalt. Ich kannte es nicht, aber es hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit Dez’ Runen. Ich fragte mich, ob er das ebenfalls gemalt hatte, und falls ja, was es bedeutete.

    Dann holte ich tief Luft, klopfte leise an die Tür und wartete. Als keine Antwort kam, klopfte ich noch einmal, diesmal lauter. Immer noch nichts. Meine Finger schlossen sich um den Türgriff, und ich zog – erst sanft, dann, als sich nichts rührte, fester. Ich schaltete meine Taschenlampe ein und richtete sie auf die Tür, konnte aber nicht sehen, wodurch sie blockiert wurde. Ich zog so fest, dass mir ein angestrengtes Grunzen entkam, aber die Tür wollte sich einfach nicht öffnen.
    »Verdammter Mist«, murmelte ich. »Die ist wohl von innen verschlossen.«
    »Nein«, widersprach eine Stimme hinter mir. »Sie kennt dich einfach nicht. Und sie öffnet sich nicht, wenn sie dich nicht kennt.«
    Ich wirbelte herum und hätte beinahe die Taschenlampe und meine Waffe fallen

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