Am Ende der Welten - 16
sie kannten.
Richard wandte sich um und betrachtete Cara. Wie sie dort stand, in ihrem roten Lederanzug, die Füße leicht gespreizt, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, erweckte sie den Eindruck, als könnte sie es ganz allein mit dem Orden aufnehmen. Richard wies auf die Frau neben Cara. »Nicci hier stand einst in ihren Diensten.« Als er die Männer untereinander tuscheln hörte, mitten unter ihnen befinde sich eine Feindin, setzte er hinzu: »So, wie ihr alle einst in den Diensten der Tyrannei standet, als ihr noch unter Darken Rahl dientet, und einige von euch sogar noch unter dessen Vater, Panis Rahl. Ihr hattet gar keine andere Wahl. Darken Rahl war es vollkommen gleichgültig, welche Pläne ihr für euer Le ben hattet, das Einzige, was ihn interessierte, war, dass ihr seine Befehle befolgt. Vor die Wahl gestellt, habt ihr euch jetzt für unsere Sache entschieden. Und das Gleiche gilt für Nicci. Mit den Soldaten der Imperialen Ordnung dagegen verhält es sich anders. Ihr habt gekämpft, weil man euch unter Androhung von Gewalt oder gar Tod dazu gezwungen hatte. Sie dagegen kämpfen, weil sie an etwas glauben. Sie gieren nach Krieg. Sie wollen Teil dieser kriegerischen Anstrengungen sein. Da sie selbst bei Jagang war, verfügt Nicci über ein Wissen aus allererster Hand. Sie hat Dinge gesehen, die möglicherweise dazu beitragen werden, das Ganze für euch ins richtige Licht zu rücken.« Er wandte sich um zu Nicci. Mit ihrer glatten, hellen Haut und dem über ihre Schultern fallenden blonden Haar glich sie ein wenig einer Statue. Da war nichts an ihrem Gesicht oder ihrer Figur, das er verändert hätte, hätte er eine Statue von ihr anfertigen sollen. Sie war ein Sinnbild der Schönheit, und doch hatte sie Gräuel gesehen, die jedes Vorstellungsvermögen sprengten.
»Nicci, würdet Ihr jetzt bitte diesen Männern erklären, was sie im Falle einer Gefangennahme durch die Imperiale Ordnung erwartet.« Richard hatte keine Ahnung, was sie sagen würde oder was sie überhaupt wusste, aber vor allem dank Jebras Bericht wusste er, dass man in der Imperialen Ordnung für das Leben nur Verachtung übrig hatte.
»Die Truppen der Imperialen Ordnung töten ihre Gefangenen nicht auf der Stelle.« Mit tödlicher Ruhe glitt Nicci einen Schritt näher an die ihr entgegenstarrenden Männer heran, wo sie an Richards Seite abwartete, bis die Stille beinahe unerträglich wurde und sie sich der ungeteilten Aufmerksamkeit jedes einzelnen der vor ihr stehenden Soldaten gewiss sein konnte. »Zunächst«, erklärte sie, »wird jeder Gefangene kastriert.«
Ein kollektives Stöhnen erhob sich unter den versammelten Soldaten.
»Anschließend, nachdem sie unerträgliche Qualen und Demütigungen erlitten haben, werden die noch Lebenden der Folter unterzogen. Wer auch diese überlebt, wird schließlich auf die eine oder andere Art brutal hingerichtet.
Wer sich dagegen dem Orden ohne Kampf ergibt, dem bleibt die se Behandlung erspart. Das ist die Absicht, die sich hinter der Grausamkeit gegenüber den Gefangenen verbirgt - ein möglicher Gegner soll mit Angst und Schrecken erfüllt werden, damit er sich kampflos ergibt. Die Behandlung der Zivilisten in den eroberten Städten ist nicht minder grausam und erfolgt mit demselben Hintergedanken. Mit dem Erfolg, dass zahllose Städte kampflos an den Orden gefallen sind.
Ihr Männer liefert diesen Leuten bereits seit langem einen harten Kampf; euch bliebe nichts von alledem erspart. Sobald ihr von Jagangs Truppen gefangen genommen werdet, gibt es für euch keine Hoffnung mehr. Man wird alles daransetzen, dass ihr euch von ganzem Herzen wünscht, niemals geboren worden zu sein. Der Tod wird eure einzige Erlösung sein.
Nicht, dass es eine Rolle spielte. Das Leben unter der Imperialen Ordnung unterscheidet sich nur unwesentlich vom Warten auf den Tod durch die Hand der Ordenstruppen. Das Leben unter der Herrschaft des Ordens ist selbst ein langsamer, zermürbender Tod; nur währt er länger, denn das Elend zieht sich über viele Jahre hin. Gut geht es nur denen, denen das Leben und alles Gute verhasst ist. Tatsächlich begünstigt und ermutigt der Orden all jene, die die guten Dinge im Leben hassen. Schließlich gründen sich ihre Lehren auf einen erbitterten Hass auf alles Gute. Das Umfeld, das solche Glaubensüberzeugungen schaffen, ist geprägt von allumfassendem Elend. Die Hasser ergötzen sich am Elend anderer, denn das Gute erregt ihren Zorn. Würdet ihr gefangen genommen,
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