Am Ende der Welten - 16
Feigling und Opportunist, aber an Grausamkeit ist ihm nicht gelegen. Vielmehr kreist er ausschließlich um sich selbst. Feiglinge überlegen sich diese Dinge nicht unbedingt, sie handeln aus einer Laune heraus. Wenn sie etwas wollen, dann wollen sie es meist sofort. Samuel überlegt sich die Folgen seines Tuns nur selten. Wenn er etwas erblickt, das er begehrt, und eine Gelegenheit sieht, es sich zu nehmen, ergreift er sie beim Schopf. Er scheut den Schmerz, den es bereiten würde, jemanden mit dem Schwert zu töten, deshalb verzichtet er darauf, den von ihm unbedacht begonnenen Tötungsakt zu vollenden. Stirbt die von ihm verletzte Person dann eines qualvollen, sich in die Länge ziehenden Todes, so kümmert ihn das nicht weiter, schließlich ist er nicht dabei und bekommt es gar nicht mit. Aus den Augen, aus dem Sinn. Genauso hat er sich auch im Fall von Chase verhalten.«
»Und Ihr habt ihm das Schwert überlassen«, wiederholte Richard, unfähig, seinen Zorn zu unterdrücken. »Ihr wusstet, wes Geistes Kind er ist, und doch habt Ihr ihm die Möglichkeit gegeben, ein solches Verbrechen zu begehen.«
Shota musterte ihn einen Moment, ehe sie antwortete. »So war es keineswegs, Richard. Ich habe ihm das Schwert gegeben, weil ich annahm, es würde ihn glücklich machen. Ich war im Glauben, es würde ihn zufrieden machen, es wieder in seinem Besitz zu haben, dachte, es würde seinen nach wie vor vorhandenen Groll darüber besänftigen, dass man es ihm so unvermittelt abgenommen hat.« Shota warf Zedd einen kurzen, aber mörderischen Blick zu. »Mit anderen Worten, Ihr habt nicht bedacht, welche Folgen Euer Tun haben könnte«, fasste Richard zusammen. »Ihr wolltet etwas, weil Ihr es eben wolltet, und das sofort.« Shotas Blick wanderte zurück zu Richard. »Du bist immer noch so respektlos wie zuvor - nach all der Zeit und allem, was inzwischen vorgefallen ist?«
Richard war nicht in der Stimmung, sich zu rechtfertigen. »Ich fürchte, es geht dabei um mehr«, sagte Shota, nun etwas weniger zornig, »um mehr, als mir in jenem Moment bewusst war.« Zedd rieb sich das Kinn und ließ sich die Situation durch den Kopf gehen. »Samuel muss erst Chase niedergestochen und anschließend Rachel verschleppt haben.«
Zedds Bemerkung überraschte Richard, daran hatte er gar nicht gedacht. Er war davon ausgegangen, dass Rachel sich abgesetzt hatte, um Hilfe zu holen.
Die Stirn gerunzelt, wandte er sich an Shota. »Wäre Samuel zu so etwas fähig?«
»Ich fürchte, ich habe keine Ahnung.« Shota schaute hoch zu Nicci, die immer noch oben auf den granitenen Stufen stand. »Wer ist eigentlich diese Frau, die er Euren Worten zufolge niedergestochen hat? Diese Tovi?«
»Sie war eine Schwester der Finsternis, und das ist keine leere Anschuldigung. Tovi kannte die Person nicht, die sie niederstach, und sie wusste auch nicht, wer Samuel war, aber das Schwert der Wahrheit kannte sie ganz sicher. Immerhin war sie im Palast der Propheten einst eine von Richards Ausbilderinnen. Kurz vor ihrem Tod gestand sie mir, wie sie und drei weitere Schwestern der Finsternis den Feuerkettenbann um Kahlans Person auslösten, um sie aus der Erinnerung aller zu tilgen. Anschließend benutzten sie Kahlan dann, um die Kästchen der Ordnung aus dem Palast des Volkes zu stehlen.«
Shota, die aufrichtig verblüfft wirkte, zog die Stirn in Falten. »Die Kästchen der Ordnung sind im Spiel«, setzte Richard hinzu. Den Blick nachdenklich in die Ferne gerichtet, machte Shota eine abwiegelnde Handbewegung. »So viel hatte ich auch schon herausgefunden. Nur wusste ich nicht, wie es dazu gekommen ist.« Richard war sich unschlüssig, inwieweit sie auch über den Rest der Geschichte informiert war, entschied aber, es trotzdem zu erzählen. »Tovi war im Begriff, eines der Kästchen der Ordnung aus dem Palast des Volkes in D’Hara fortzuschaffen, als Samuel sich auf sie stürzte, sie mit dem Schwert durchbohrte und anschließend das Kästchen an sich nahm, das sie bei sich trug.« Wieder wirkte Shota überrascht, ein Gesichtsausdruck, der jedoch rasch verhaltenem Zorn wich, als sie sich im Stillen durch den Kopf gehen ließ, was man ihr da gerade berichtet hatte. »Ich kenne Chase, seit ich denken kann«, sagte Richard. »Jedem kann einmal ein Fehler unterlaufen, trotzdem habe ich noch nicht erlebt, dass ihn jemand aus einem Hinterhalt heraus überraschen konnte. Ebenso wenig kann ich mir vorstellen, dass die Schwestern der Finsternis wesentlich einfacher in
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