Am Ende der Welten - 16
der anderen gegen ihn schicken. Vielleicht würde er dabei eine Menge Soldaten verlieren, aber diese Ungeheuer lassen sich von Schwindel erregenden Verlusten nicht abschrecken; sie würden unbeirrt weiter angreifen und Angriffsreihe auf Angriffsreihe in die Feuerwalze schicken. Ungeachtet ihrer Verluste würden sie in Kürze selbst einen so fähigen Mann wie den Obersten Zauberer überwältigen. Und wo würden wir dann stehen? Bereits etwas so Simples wie ein Trupp Bogenschützen wäre in der Lage, einen mit der Gabe Gesegneten auszuschalten.« Sie sah zu Richard. »Alles, was man dazu benötigte, wäre ein Pfeil, der sein Ziel trifft, und schon stirbt ein mit der Gabe Gesegneter genau wie jeder andere.«
Zedd breitete in einer verzweifelten Geste die Hände aus. »Ich fürchte, Nicci hat recht. Am Ende würde die Imperiale Ordnung genauso dastehen wie zuvor, wenn auch mit ein paar Soldaten weniger. Wir dagegen hätten die mit der Gabe Gesegneten verloren, die wir gegen sie aufgeboten haben. Sie haben nahezu unerschöpfliche Reserven zur Verfügung, um ihre Truppen wieder aufzufüllen, uns dagegen würden keine Legionen von mit der Gabe Gesegneten zu Hilfe eilen. So hartherzig es scheinen mag, unsere Chance liegt nicht darin, unser Leben in einer sinnlosen Feldschlacht aufzuopfern, von der wir wissen, dass sie keine Aussicht auf Erfolg hat, vielmehr müssen wir uns etwas einfallen lassen, was eine echte Chance auf Erfolg verspricht.«
Nur zu gerne hätte Richard geglaubt, dass es eine Lösung gab, irgendeinen Plan, der echte Erfolgsaussichten bot. Tatsächlich jedoch war er überzeugt, dass sie wenig mehr tun konnten, als das Ende hinauszuzögern.
Jebra, deren Hoffnungsschimmer erloschen war, nickte. Die tiefen Furchen, wie auch das feine Geflecht aus Fältchen in den Winkeln ihrer blauen Augen, verliehen ihrem Gesicht einen müden, abgespannten Ausdruck und ließen sie älter aussehen, als sie nach Richards Einschätzung war. Ihre Schultern waren leicht gebeugt und ihre Hände von der harten Arbeit rau und schwielig. Die Soldaten der Imperialen Ordnung hatten sie zwar nicht umgebracht, aber all ihres Lebenswillens beraubt und sie durch das, was sie hatte durchmachen und mit ansehen müssen, für alle Zeit gezeichnet. Wie viele andere mochte es geben, die wie sie zwar noch lebten, aber durch die brutalen Methoden der Besatzungstruppen für immer zugrunde gerichtet waren - leere Hüllen ihres früheren Selbst, nach außen hin scheinbar lebendig, innerlich jedoch längst tot. Ein Schwindelgefühl überkam Richard. Er konnte kaum glauben, dass die Hexe Jebra diesen weiten Weg hierher gemacht hatte, um ihn davon zu überzeugen, wie grauenhaft die Imperiale Ordnung tatsächlich war. Das wahre Ausmaß ihrer Brutalität, das Wesen ihrer Gefährlichkeit war ihm längst bekannt. Immerhin hatte er fast ein volles Jahr in der Alten Welt unter der Tyrannei der Imperialen Ordnung gelebt und war dabei gewesen, als der Aufstand in Altur’Rang seinen Anfang genommen hatte. Daher konnte Jebras Augenzeugenbericht ihm, wenn überhaupt, nur die Bestätigung dessen liefern, was er längst wusste - dass sie keinerlei Chance gegen Jagang und die Streitkräfte der Imperialen Ordnung hatten. Das D’Haranische Reich als Ganzes wäre unter Umständen imstande gewesen, jene Unterabteilung aufzuhalten, die über Galea hereingebrochen war; die jedoch war ein Nichts verglichen mit deren Hauptstreitmacht.
Selbst wenn es ihm gelänge, den ihm so verhassten Jagang auszuschalten, würde dies der Bedrohung durch die Imperiale Ordnung kein Ende machen - deren Ziele waren wie aus einem Guss, ideologisch starr und nicht befeuert vom Ehrgeiz eines einzelnen Individuums. Genau das machte alles ja so hoffnungslos. Shotas Vision - was sie im Strom der Zeit als hoffnungslose Zukunft der Welt vorhergesehen hatte, wenn es ihnen nicht gelang, der Imperialen Ordnung Einhalt zu gebieten - schien in Richards Augen kein besonderes Talent oder einen besonderen Scharfblick zu erfordern. Er musste kein Prophet sein, um zu erkennen, welch grässliche Gefahr die Imperiale Ordnung darstellte. Wenn man ihr nicht Einhalt gebot, würde sie die Welt beherrschen. In dieser Hinsicht hatte Jebra ihm nichts Neues erzählt, nichts, was er nicht schon wusste.
Andererseits war Shota alles andere als dumm, folglich wusste sie das alles, und sie musste auch wissen, dass er es wusste. Warum also, fragte er sich, war sie in Wirklichkeit gekommen? Was immer er nach Shotas Ansicht
Weitere Kostenlose Bücher