Prost Mathilda - von Wolke sieben ab in den Vollrausch
Prolog
Mathilda hatte sich mit ihrem Dad gestritten. Es war mal wieder um seine neue Freundin gegangen.
„Wie kannst du es nur wagen, so über Julia zu sprechen? Was denkst du dir eigentlich dabei?“, hatte er sie angeschnauzt und sich geweigert, Mathilda gehen zu lassen.
Doch dann hatte
seine tolle Julia
angerufen und er war für einen Moment im Nebenraum verschwunden. Mathilda hatte blitzschnell gehandelt und sich einen Fünfzigeuroschein aus seiner Geldbörse genommen.
Was lässt er auch seine Kohle einfach so auf der Kommode herumliegen?, hatte sie gedacht und fand, er habe sogar noch Glück, dass sie
nur
einen Fünfziger genommen hatte. – Ein
echter Dieb
hätte die ganze Geldbörse mitgehen lassen.
Dann war sie zum Kiosk gerannt und hatte drei Flaschen Rotwein gekauft. Dem Kioskbesitzer konnte man das Blaue vom Himmel herunterlügen, wusste sie inzwischen. Der rückte selbst bei kleinen Kindern harte Sachen raus, wenn sie ihm nur erzählten, ihre Eltern hätten sie geschickt. Nur bei Zigaretten wurde er ungemütlich. Da musste man sich schon mehr einfallen lassen, damit er welche über den Tresen reichte.
Aber Mathilda mochte weder Zigaretten noch harte Sachen – sie stand auf Rotwein. Musste wohl in der Familie liegen, reimte sie sich zusammen. Schließlich spülte Conni ihren Frust auch immer mit Rotwein hinunter.
An Tom dachte sie kaum noch – wenn er ihr nicht gerade mit seiner blöden Tanja über den Weg lief. Aber genau das machte er. Ständig. Und dann war er wieder in Mathildas Kopf. Seine langen, dunklen Haare, die ihm immer ins Gesicht fielen und die er dann mit einer raschen Handbewegung wieder nach hinten strich. Diese unglaublich blauen Augen, in die man einfach nur versinken konnte – völlig hilflos und ohne die geringste Chance, da je wieder rauszukommen.
Tom. Ja, Tom war der tollste und schönste Junge, den Mathilda jemals gesehen hatte – und Tom war der größte Mistkerl weit und breit.
Vor einigen Wochen hatte Mathilda ihn geliebt, so, wie sie noch niemals geliebt hatte. Doch das war nun vorbei.
Sie war dann in den Park gelaufen und saß jetzt auf ihrer Bank vor dem Gebüsch. Dort war sie völlig ungestört, das wusste Mathilda. Mittags kamen hier kaum Leute vorbei und wenn doch, dann scherte es Mathilda sowieso schon lange nicht mehr. Sollten sie doch blöd glotzen – unternehmen würde sowieso keiner was. Auch das wusste Mathilda inzwischen.
Dann hatte sie endlich die erste Flasche geöffnet und fing an zu trinken. Mit jedem Schluck wurde das Bild schwächer. Nach der ersten Flasche hörte sie das dämliche Lachen von Tom und seiner Neuen schon fast gar nicht mehr. Als sie die zweite Flasche ins Gebüsch warf, musste sie sich übergeben. Wer Tom war, hatte sie zu diesem Zeitpunkt beinahe völlig vergessen. Dennoch öffnete sie auch noch die dritte Flasche – einfach nur, weil sie schließlich dastand und weil sie sowieso nicht aufhören konnte – und wollte.
Danach versuchte sie aufzustehen, aber das klappte nicht mehr so richtig. Immer wieder fiel sie auf die Bank zurück. Irgendwann stand sie schließlich.
Schwankend versuchte sie sich auf den Beinen zu halten. Ein Würgen und Keuchen und dann waren da wieder diese Stimmen. Tom, der ihr irgendetwas zurief – ihre Mutter, die laut lachte und schrie: „Prost Mathilda, alle Männer sind Schweine!“, das Zerspringen einer Flasche. Ihr Vater mit seiner neuen Freundin – Tom, immer wieder Tom, wie er sie wegschubste und den Arm um ein anderes Mädchen legte. Und wieder ihre Mutter, die ihr zuprostete.
Die Bilder verschwammen ineinander, wurden immer greller und wirrer. Mathildas Magen drehte sich um, in ihrem Kopf begann es zu schwirren – immer schneller und schneller. Sie hielt sich die Hand vor den Mund, schmeckte den säuerlichen Geschmack von erbrochenem Rotwein auf ihrer Zunge, die schleimige Galle rann ihr durch die Finger, lief an ihren Armen herunter und tropfte auf ihre Hose. Der Boden unter ihren Füßen begann zu schwanken, sie torkelte einen Schritt zur Seite, versuchte zur Bank zurückzukommen, stolperte vorwärts und fiel der Länge nach vornüber.
Bevor sie auf dem harten Schotterweg aufschlug, hatte sie das Bewusstsein schon verloren.
Alkohol – Du wirst am Boden liegen
Alkohol – Hast keine Kraft mehr
Alkohol – Völlig am Ende
Alkohol – Alles zerstört
Selina, 14 Jahre
Neue Zeiten
Das gelbliche Licht des Morgens tanzte fröhlich auf Mathildas karierter Bettdecke. Wie jeden Morgen war
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