Am Ende der Welten - 16
wie sie, einer von vielen, die mit auf den Rücken gefesselten Händen auf den Knien im Morast lagen.
Das Ganze war so unwahrscheinlich, dass es etwas Verstörendes hatte; irgendwie war er tatsächlich dort. Irgendwie hatte Shota ihn an diesen Ort versetzt. Ihm war unbegreiflich, wie so etwas möglich sein sollte. Er musste es sich einbilden. Dann begann er sich zu fragen, ob er sich in Wahrheit nicht alles andere eingebildet hatte, fragte sich, ob nicht alles ein Traum gewesen war, ein Ablenkungsmanöver, ob ihm sein Verstand nicht einen Streich gespielt hatte. Er begann sich zu fragen, ob es möglich sein konnte, dass der Feuerket tenbann das tatsächliche Geschehen aus seiner Erinnerung gelöscht hatte, oder ob die Realität schlicht so entsetzlich war, dass sein Verstand sie ausgesperrt und er sich in eine Phantasiewelt zurückgezogen hatte - und jetzt, völlig unvermittelt, unter dem Druck der Ereignisse wieder in die Wirklichkeit zurückgeschnellt war. In Wahrheit, das dämmerte ihm allmählich, obwohl er nicht genau wusste, was sich hier abspielte oder woher seine Verwirrung rührte, zählte nur, dass dies vollkommen real war und er sich dessen aus irgendeinem Grund erst jetzt bewusst wurde. Und tatsächlich, genauso fühlte es sich an: als sei er gerade aus einem Zustand orientierungs-loser Verwirrung erwacht und hätte sein Bewusstsein wiedererlangt.
War er zuvor verwirrt gewesen, so versuchte er sich jetzt verzweifelt zu erinnern, zu begreifen, wie er an diesen Ort gekommen war, wo er sich jetzt wieder fand, wie es dazu gekommen war, dass er inmitten von Soldaten der Imperialen Ordnung im Morast auf den Knien lag. Für Augenblicke meinte er sich erinnern zu können, wie er hierher gekommen war, und auch an alles andere, doch blieb die Erklärung stets unmittelbar außerhalb seiner Reichweite, wie ein Wort, das irgendwo in den dunklen Tiefen des Verstandes verloren gegangen war.
Richard blickte die Reihe zu seiner Linken entlang und sah einen Soldaten das Haar eines Mannes mit der Faust packen und seinen Kopf nach oben reißen. Der Mann schrie auf, ein kurzer, von Entsetzen erstickter Laut, hervorgepresst aus einer wogenden Brust. Es war unschwer zu erkennen, dass der Mann trotz heftigster Bemühungen keine Chance hatte zu entkommen. Die Laute seines tränenreichen Flehens erzeugten eine Gänsehaut auf Richards Armen. Der Soldat, der hinter dem Knieenden stand, legte ihm ein langes, schmales Messer an die Vorderseite seiner entblößten Kehle. Wieder versuchte sich Richard einzureden, dass er zuvor recht gehabt hatte, dass dies nicht wirklich war, dass er sich dies alles nur einbildete. Und doch konnte er die Scharte in dem stümperhaft gewetzten Messer deutlich sehen, konnte er den Mann wieder und wieder vor Panik keuchend schlucken sehen, sah er das unbarmherzige Feixen im selbstgefälligen Gesicht des Soldaten. Als das Messer in die Kehle des Mannes schnitt, ließ ihn der An blick schockiert zusammenzucken, im selben Moment, da der Schock des plötzlichen Schmerzes den Mann zusammenfahren ließ. Der Mann schlug wild um sich, doch der Soldat, der seine Haare mit festem Griff gepackt hielt, hatte keine Mühe, sein Opfer in Schach zu halten. Die regennassen Muskeln seines kräftigen Armes traten hervor, als er unter Aufbietung noch größerer Kraft ein zweites Mal in die Kehle des Mannes schnitt, tiefer, viel tiefer und fast von einem Ohr zum anderen. Ein Schwall von Blut, im grauen Licht von schockierend roter Farbe, schoss mit jedem Pumpen des noch immer schlagenden Herzens hervor. Richard zuckte innerlich zusammen, als sich seine Nasenflügel unter dem frischen Geruch weiteten. Er versuchte sich einzureden, dies sei nicht wirklich, und doch, als er den Mann sich kraftlos winden sah, als er zusah, wie der Fleck aus Blut auf der Vorderseite seines Hemdes nach unten wuchs und den Schoß seiner Hosen durchtränkte, war alles nur zu wirklich. In einem letzten Kraftakt, sein Hals bereits eine einzige klaffende Wunde, trat der Mann mit seinem Bein zur Seite aus. Der Soldat, der den Mann noch immer bei den Haaren gepackt hielt, wuchtete ihn nach hinten in die Grube. Richard hörte, wie er mit seinem ganzen Gewicht schwer auf dem Boden aufschlug.
Richards Herz hämmerte so hart gegen seinen Brustkorb, dass er zu platzen meinte. Ihm war so speiübel, dass er glaubte, sich übergeben zu müssen. In einer verzweifelten Kraftanstrengung versuchte er zum wiederholten Mal, seine Hände freizubekommen, doch das Leder
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