Am Ende der Welten - 16
nur mit ihr zusammen vor einem Feuer sitzen, sie behütend und wärmend an sich drücken und sich mit ihr über die Dinge unterhalten, die ihnen wichtig war ihre Zukunft. Sie sollten eine Zukunft haben. Es war so ungerecht. Er wollte sein Leben leben. Stattdessen würde es ohne triftigen Grund an diesem Ort des Elends enden. Einfach so. Nicht einmal um sein Leben kämpfen konnte er, um seinem Tod noch einen Sinn zu geben. Stattdessen würde er hier im Regen und Morast krepieren, umringt von Männern, die einen Hass auf alles hegten, was gut im Leben war, während Kahlan gezwungen wurde zuzusehen.
Er wollte nicht, dass sie es sah. Er wusste, sie würde diesen Anblick nie wieder aus ihren Gedanken verbannen können. Mit dieser letzten, grauenhaften Erinnerung an seinen blutigen Todeskampf wollte er ihr nicht in Erinnerung bleiben.
Wie die meisten der anderen Männer auch, unternahm er einen allerletzten Versuch, auf die Beine zu kommen. Sofort stieg ihm einer der Soldaten auf die Waden und drückte ihn mit seinem ganzen Gewicht zu Boden. Der Schmerz schien weit entfernt. Richard fühlte sich wirr und benommen.
Nichts auf der Welt wünschte er sich sehnlicher, als Kahlan von diesen Männern, die sie festhielten und begrapschten, zu erlösen. Wütend schrie Kahlan sie an, kratzte, trommelte mit den Fäusten auf sie ein, während sie gleichzeitig in hilflosem Entsetzen nach ihm rief.
Unter Aufbietung seiner ganzen Körperkraft zerrte er an den Lederriemen, mit denen seine Handgelenke gefesselt waren, doch statt zu zerreißen, gruben sie sich nur noch tiefer ein. Er kam sich vor wie ein in einer Falle gefangenes Tier. Längst war jegliches Gefühl aus seinen Händen gewichen, sodass er das Blut, das warm von seinen Fingerspitzen troff, nicht mehr spüren konnte. Er wollte nicht sterben. Was sollte er nur tun? Er musste dem ein Ende machen, irgendwie, er musste einfach. Nur wusste er nicht, wie. In der Vergangenheit hatte er stets über seinen Zorn auf seine Gabe zugreifen, seine Kraft auf den Plan rufen können. Stattdessen erlebte er jetzt nichts als Hilflosigkeit und Verwirrung. »Kahlan!«
Er schien dem überwältigenden Gefühl des Grauens, der blinden Panik, hilflos ausgeliefert zu sein, dieser ungestümen Gefühlsanwandlung hatte er nichts entgegenzusetzen. Er wurde von einer Flut von Ereignissen fortgerissen, die er weder aufhalten noch kontrollieren konnte. Es war alles so absurd, von so überwältigender Sinnlosigkeit und monumentaler Brutalität. »Kahlan!«
»Richard!« Schreiend streckte sie erneut die Arme nach ihm aus. »Richard, ich liebe dich mehr als das Leben! Ich liebe dich so sehr. Du bist mein Ein und Alles. Das bist du immer gewesen.« Ein Schluchzen ließ ihren Atem stocken, der darauf in heftiges Keuchen überging.
»Richard … ich brauche dich doch.«
Es brach ihm das Herz. Er hatte das Gefühl, sie im Stich zu lassen. Ein Soldat packte ihn bei den Haaren.
»Nein!«, schrie Kahlan und hob abwehrend die Hand. »Nein! Nicht! Bei den Gütigen Seelen, so helfe ihm doch jemand, bitte!« Der Soldat beugte sich herab, das Schmutzstarrende Gesicht zu einem brutalen Feixen verzerrt. »Keine Sorge, ich werde mich schon um sie kümmern … höchstpersönlich.« Er lachte Richard gehässig ins Ohr.
»Bitte«, hörte Richard sich sagen, »bitte nicht.« »Bei den Gütigen Seelen, so helfe ihm doch jemand!«, schrie Kahlan die Umstehenden an.
Sie war sich ihrer Machtlosigkeit nur zu bewusst. Er hatte nicht die geringste Chance. Jetzt konnte sie nur noch um ein Wunder betteln, und das allein war neue Nahrung für die Flammen glühender Angst, die außer Kontrolle geraten in seinem Innern loderten. Dies war das Ende - das Ende von allem.
»Bitte … so lasst sie doch in Ruhe.«
Der Soldat hinter seinem Rücken lachte. Genau das war es, was er hatte hören wollen.
Das Schluchzen, das seine Kehle hochstieg, raubte ihm den Atem, sodass er es nicht schaffte, Luft in seine Lungen zu saugen. Tränen, vermischt mit Regenwasser, liefen ihm über das Gesicht. Sie war die einzige Frau, die er je geliebt hatte, der einzige Mensch, der ihm alles, mehr als das Leben selbst bedeutete. Ohne Kahlan war das kein Leben, sondern nur ein Dahinvegetieren. Sie war seine Welt.
Ohne Kahlan war sein Leben sinnlos.
Und ohne ihn, das wusste er, hatte auch Kahlans Leben seinen Sinn verloren …
»Jetzt du«, verkündete der Soldat, der Richard festhielt, und trat hinter ihn, um die Position des Henkers einzunehmen. Der Mann
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