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Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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auf, fand sich im moosgrünen Dämmerlicht des Treppenaufgangs wieder und stieg entschlossen die glitschigen Stufen hinauf. Sie hob das Gesicht und gewahrte eine große Gestalt, die am Ende der Treppe auftauchte, und sie fing an zu schreien.
    »Nein! Nein! Nein!« Sie hob den Hockeyschläger, bereit, ihrer Feindin die Schulter, den Arm oder das Bein mit der gewaltigen Wucht eines in Todesangst geführten Schlags zu brechen, aber ihr Gegenüber griff blitzschnell nach der Waffe, hielt sie in eisernem Griff fest.
    »Jessica, nicht! Ich bin es, Phillip.«
    Sie blinzelte. Ihr war schwindlig geworden, und vor ihren Augen verschwammen alle Konturen.

    »Phillip!« Sie konnte ihre eigene Stimme wie aus weiter Ferne hören, so als spreche jemand ganz anderer, der sich hinter ihr oder über ihr befand. »Phillip, o Gott, passen Sie auf, sie ist hier irgendwo. Evelin ist hier irgendwo.«
    Sie nahm die letzten zwei Stufen, ließ sich in Phillips Arme ziehen, aber ehe sie der Versuchung nachgeben konnte, ihren Kopf an seine Schulter zu legen und endlich die entsetzliche Anspannung der letzten Stunden von sich abgleiten zu lassen, richtete sie sich wieder auf und entzog sich seiner tröstenden Geste.
    »Phillip, sie hat es getan«, sagte sie hastig. »Evelin hat es getan! Sie ist vollkommen durchgedreht. Sie hat ein Messer und wollte auch mich töten. Sie muß hier irgendwo sein, und …«
    »Psst«, machte Phillip, »alles in Ordnung. Ganz ruhig. Evelin sitzt neben der Veranda im Gras. Das Messer habe ich.« Er öffnete seine rechte Hand. Jessica erkannte das Anglermesser.
    »Aber …?« fragte sie verwirrt.
    »Ich sah sie zum Kellereingang schleichen«, sagte Phillip, »mit diesem scheußlichen Messer in der Hand, und da ich wußte, daß Sie auch hier irgendwo sein mußten, hatte ich das Gefühl, Sie könnten in ziemlicher Bedrängnis stecken.«
    Sie sah an ihm vorbei in den Garten. Evelin saß im Schneidersitz mitten im Gras, wie eine dicke, schwarze Raupe. Ihr Gesicht war noch immer verschmiert wie bei einem Kleinkind. Sie starrte vor sich hin, wiegte sich ein wenig, achtete nicht auf die beiden Menschen, die in ihrer Nähe standen. Sie befand sich in einem völlig entrückten Zustand, genau wie damals, als das Verbrechen geschehen war.
    Jessica ging auf sie zu, kniete vor ihr nieder. Die dicke Frau hatte Alexander und die meisten seiner Freunde getötet, und sie hatte ihr Stunden der Todesangst bereitet. Und doch konnte sie in diesem Moment nichts anderes für sie empfinden als überwältigendes Mitleid. Sie nahm ihre Hand, die schlaff und feucht in ihrem Schoß lag.
    »Evelin«, sagte sie leise.

    Evelin rührte sich nicht, hob auch nicht den Blick. Ausdruckslos starrte sie weiter auf das Gras, ohne wahrscheinlich irgend etwas wahrzunehmen. Ein Spuckefaden lief von ihrem rechten Mundwinkel über ihr Kinn. Sie stank entsetzlich nach einer Mischung aus Schweiß und widerlichen Essensresten.
    Jessica zog ein Papiertaschentuch aus ihrer Hosentasche und wischte Evelin vorsichtig das Gesicht ab. Sie hielt dabei immer noch ihre Hand, erfüllt von dem Wunsch, dieser gequälten, geschundenen Frau ein wenig Wärme und Mitgefühl zu vermitteln - und dabei wußte sie doch, daß sie sie nicht erreichte.
    Phillip trat zu den beiden Frauen.
    »Ich kam von hinten«, sagte er, »und es war nicht schwer, sie zu überwältigen und ihr das Messer abzunehmen. Innerhalb von Sekunden fiel sie völlig in sich zusammen. Sie setzte sich in die Wiese und war nicht mehr ansprechbar.«
    »Waren Sie die ganze Zeit hier?« fragte Jessica.
    Er schüttelte den Kopf. »Ich kam hierher, um Abschied zu nehmen. Von Stanbury House und von meinem Vater. Dann wollte ich mich der Polizei stellen. Ich wußte ja, daß ich unschuldig war, und ich wollte nicht länger weglaufen. Aber da tauchten zuerst Evelin auf und dann Sie auf, und ich hatte keine Gelegenheit, ungesehen davonzukommen. Es lag mir daran, von allein zur Polizei zu gehen, nicht von Ihnen beiden entdeckt und festgesetzt zu werden. Ich versteckte mich in dem Kellereingang da unten. Später sah ich Sie dann auf der Bank sitzen.«
    »Ich hatte Ihre Grasketten entdeckt. Ich wußte, daß Sie dagewesen sein mußten.«
    »Grasketten!« Er grinste. »Glauben Sie mir, ich merke es gar nicht mehr, wenn ich die Dinger fabriziere. Welch eindeutige Spur!«
    »Wenn man Sie kennt«, sagte Jessica.
    »Ich war dicht davor, Sie anzusprechen. Aber da erschien plötzlich Evelin. Ich zog mich wieder in den Keller zurück.

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