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Am Ende des Winters

Am Ende des Winters

Titel: Am Ende des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Dinge, die das Schicksal ihnen in den Schoß fallen lassen sollte.
    Harruel hatte immerhin den Mut besessen und mit einer derartig richtungslosen Existenz der Selbsttäuschung gebrochen. Er hatte sich Koshmars Griff entwunden und hier etwas Neues, Nützliches und Notwendiges ins Leben gerufen.
    »Harruel ist in Ordnung«, wiederholte er. »Soll er ruhig König sein! Soll er ruhig den Dingen Namen geben, wie es ihm gefällt! Dieses Vorrecht hat er sich verdient.«
    Er zupfte an Weiawalas Hand, und sie setzten den Aufstieg fort.
    Harruel würde nicht für alle Zeit König sein, das wußte Salaman.
    Früher oder später würden die Götter ihn rufen, auf daß er ausruhe; und vielleicht war dies ja schon früher, möglicherweise, und nicht erst später. Seine Grobschlächtigkeit, seine Gewalttätigkeit und diese dumme Dickschädeligkeit mußten ihm früher oder später den Hals brechen. Und dann, dachte Salaman, wird Salaman an der Reihe und wird hier König sein, sofern Salaman da irgendwie mitzureden hatte. Salaman und die Söhne des Salaman – auf immer und ewiglich von da an. Sofern es dabei nach Salaman gehen würde!
    Sie erreichten den Kraterrand und kletterten über die gerundete Spitze. Die Palisadenwand reichte noch nicht bis hierher. Zurückblickend, konnte er Yissoucity kaum noch erkennen, wie sie da genau im Herzen der Senke drunten lag. Die paar kleinen Hütten verloren sich in dem ringsum andrängenden Grün.
    Aber Salaman war sich auch sicher, daß die Stadt nicht lange ein Haufen brüchiger Holzhütten bleiben werde. Eines Tages würde sich dort unten wahrlich eine großartige Stadt ausbreiten: so groß und so großartig wie Vengiboneeza vielleicht. Doch würde es keine Stadt aus zweiter Hand sein wie Vengiboneeza, das von den längst verschwundenen Saphiräugigen erbaut und als Ruinenberg von einem opportunistischen Rudel späterer Neusiedler übernommen worden war… Nein, schwor sich Salaman, die neue Stadt würde Kunde geben von der schweren Plackerei und dem Schweiß und der schlauen Planung ihrer eigenen Bewohner, die sich zu Herren über alle umliegenden Regionen erheben würden, und dann über die Provinzen jenseits von diesen und eines Tages, sofern es den Göttern gefiel, über die ganze Welt. Die Stadt des Yissou würde die Hauptstadt eines Großreiches, eines Imperiums, sein. Und die Sohnessöhne Salamans sollten Herrscher sein in diesem Reich.
    Nun, da er den Krater hinter sich gelassen hatte, strebte er rasch auf seinen privaten Hochsitz zu. Nach kurzem rief Weiawala: »So warte doch auf mich, Salaman, ich kann nicht so rasch laufen!« Er merkte, daß sie weit zurückgefallen war, und so hielt er inne, bis sie ihn eingeholt hatte. Zuweilen vergaß er, wie groß seine Ausdauer war und wie rasch und zielstrebig er sich bewegen konnte, wenn er auf etwas hinauswollte.
    »Du hast es immer dermaßen eilig«, sagte sie.
    »Ja. So ist das wohl.«
    Er legte ihr den Arm um die Hüfte und fegte sie mit sich den Hang hinauf.
    Es war die Zeit, in der Salaman zu seinem Recht kommen sollte. Er war siebzehn Jahre alt, fast achtzehn, ein starker Jungkrieger in vollem Saft.
     Im Kokon war er nur einer unter vielen gewesen, hatte herumgespielt mit Fußboxen und Ringen, Höhlensegeln und so und hatte sich gefragt, ob das Kopulieren tatsächlich so angenehm sein könnte, wie die älteren Jungen andeuteten. Doch obwohl sein Geist scharf war und er die Dinge klar und präzise erkannte, gab es für ihn keinen Anreiz, den anderen seine Intelligenz zu beweisen, dafür um so mehr Grund, sie verborgen zu halten. So durchlebte er eine ganz und gar nicht außergewöhnliche Knabenzeit und erstrebte weder etwas besonders noch erwartete er das Besondere. Damals hatte er geglaubt, so werde sein Leben bis ans Ende seiner ihm bestimmten Tage sein, ein langer angenehmer Reigen einander gleichender Tage.
    Aber dann war die Zeit des Auszugs gekommen, der lange Marsch über die Steppen. In diesem Jahr war Salaman in seine Mannheit eingetreten und war zu seiner vollen Kraft erblüht; denn war er auch von kerniger Statur, so doch breit in den Schultern, hatte kräftige Arme und steckte voller Energie und Durchhaltevermögen. Vielleicht war von allen Kriegern nur Konya stärker – und selbstverständlich Harruel. Doch in der fremdartigen neuen Welt außerhalb des Kokons durchlief Salaman eine geistig-seelische Blütezeit. Er begann sich nach einer Zeit zu sehnen, in der er ein bedeutender Mann im Stamm sein würde, geehrt und

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