Am Ende des Winters
er versuchte herauszuklettern.
Harruel stützte sich müde auf seinen Speer. Alles ist vorbei, erkannte er mit einem freudigen Gefühl.
Doch war dieser freudige Aufschwung nur von kurzer Dauer. Erschöpfung und Schmerz überwältigten ihn. In seiner Brust war ein schreckliches Gehämmer, und die Wunde an seinem Arm zuckte und blutete stark. Der Wein, der ihn im Kampfestaumel getragen hatte, hatte seine Kraft verloren, und Harruel war nun nichts weiter als mürrisch und müde.
Als er nun zur Stadt zurückblickte, sah er, daß das Feuer im Palast wütete. Die Tiere waren alle entwichen. Er vermochte nicht zu sagen, wessen Kind dort tot lag, doch nun sah er, daß auch eine der Frauen tot oder doch schwer verwundet war. Also war der Sieg doch nicht so überwältigend, wie es den Anschein gehabt hatte.
Trübnis überwältigte ihn.
Dies ist die Strafe der Götter, die über mich gekommen ist, dachte er.
Für alle meine Missetaten. Für die Notzucht an Kreun. Und für alle meine übrigen Grausamkeiten und Rasereien, und für jeden niedrigen unwürdigen Gedanken, und für meine überhebliche Anmaßung. Dafür, daß ich die Hand wider Minbain erhob. Und dafür, daß ich mir den Kopf mit einem Übermaß des Weins verneble. Die Hjjk sind gekommen, um diese Stadt zu vernichten, die ich errichtet habe und die mein Denkmal werden sollte. Wir haben zwar diese wenigen getötet, aber was ist mit dem riesigen Heer, das Salaman in seiner Vision geschaut hat? Wie wollen wir diese Massen abwehren? Wie sollen wir gegen diese ungeheuerlichen Zinnobären kämpfen, wenn sie durch unsere Straßen gedonnert kommen? Wie sollen wir denn überhaupt überleben, wenn das Hauptheer anrückt?
Wieder war die Nacht warm, und die Luft hing schwer und erstickend. Es war nunmehr beständig warm. Blasse Erinnerung war nur noch die Zeit der rauhen Kälte direkt nach dem Ende des Langen Winters. Doch trotz der klebrigen Wärme des Abends fühlte Koshmar ein Frösteln aus ihren Knochen heraufsteigen und sich nach außen ausbreiten über ihren ganzen Leib und in Schaudern zwischen ihrem Pelz und ihrer Haut dahinlaufen. Dieses Frösteln wich in jüngster Zeit nie mehr von ihr.
Ruhelos durchstreifte sie die Siedlung. Sie schlief beinahe nicht mehr, sondern wanderte weit in die Nacht hinaus, trieb mit verwirrtem Kopf von einem Haus zum anderen. Manchmal stellte sie sich vor, sie sei ihr eigenes Gespenst und schwebe gewichtslos, schwerelos, unsichtbar und stumm dahin. Doch der Schmerz blieb ihr stets getreulich nahe und mahnte sie an die Bürden ihres Fleisches.
Sie hatte zu keinem ein weiteres Wort über einen Auszug aus Vengiboneeza gesagt. Es war ja auch nur eine List gewesen, um Torlyri die Wahrheit zu entlocken, ob sie denn mitgehen oder bleiben würde; und da Koshmar nun diese Wahrheit erfahren hatte – denn sie war sicher, daß Torlyri ihren Behelmten niemals aufgeben würde –, brachte sie es nicht über sich, den Befehl zum Auszug zu erteilen. Hresh hatte das Thema ihr gegenüber nicht wieder angeschnitten, auch Torlyri nicht. Der Plan ruhte in nebliger Schwebe. Macht mein Kranksein mich so unfähig schwach, die Organisation unseres Auszugs anzugehen? fragte sie sich. Oder liegt es einzig daran, daß ich weiß, er bedeutet das Ende für meine Liebe zu Torlyri, und ich bringe das nicht über mich?
Sie vermochte nicht zu sagen, was von beidem zutraf. Ihre persönliche kummervolle Depression war hoffnungslos verstrickt in ihre öffentlichen Pflichten. Sie war so müde, müde, müde, so zutiefst beunruhigt, so tief verwirrt. Sie konnte nichts weiter tun, als abwarten und hoffen, die Zeit werde alles so oder so wenden. Vielleicht wich diese Krankheit von ihr, und ihre Kraft würde wiederkehren. Oder Torlyri mochte ihrer betörten Liebe zu diesem Beng überdrüssig werden. Die Zeit ist meine einzige Verbündete.
Plötzlich stach ihr Helle ins Auge. Ein vereinzelter Lichtstrahl drang aus einem der unbenutzten Gebäude am gegenüberliegenden Ende des Platzes am Südrand der Siedlung. Dann war auf einmal wieder alles dunkel, als sei hastig eine Blende geschlossen worden. Koshmar runzelte die Stirn. Dort drüben hatte keiner etwas zu suchen, schon gar nicht zu dieser nächtlichen Stunde. Das ganze Volk lag im Schlaf, außer Barnak, der Wachdienst hatte, und ihn hatte Koshmar gerade vor einer kurzen Weile den Nordrand der Siedlung kontrollieren sehen.
Sie machte sich auf, um die Sache zu untersuchen; vielleicht hatte sich ein Trupp von Bengspionen
Weitere Kostenlose Bücher