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Am Ende des Winters

Am Ende des Winters

Titel: Am Ende des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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ebenfalls nützlich. Und Koshmar sagt…«
    »Ja. Ich weiß, was sie sagt. Aber das da ist wichtiger.«
    »Für dich.«
    »Ich flehe dich an, Orbin. Wir waren doch einst Freunde.«
    »Waren wir das?« fragte Orbin teilnahmslos.
    Der Hieb war tief und schmerzte. Spielkameraden in der Kindheit, gewiß, das waren sie gewesen; doch war dies Jahre her, und was hatte ihm Orbin schon bedeutet – oder er Orbin –, seit jenen Tagen? Jetzt waren sie einander fremd. Hresh war der gewitzte Weise, der Alte Mann des Stammes, Orbin nichts weiter als ein schlichter Krieger, brauchbar möglicherweise wegen seiner Muskeln, aber sonst ein Nichts. Hresh gab weitere Versuche auf. Er würde mit Taniane die abschließenden Erkundungen eben allein durchführen müssen.
    Und wieder schlichen sie sich unter dem Schutze der Dunkelheit davon. Und wieder zog es Hresh zu der Stelle, an der er die Reparateure, die Künstlichen, bei der Arbeit beobachtet hatte; und diesmal trug er den Barak Dayir bei sich.
    »Dort schau mal!« rief Taniane. »Ein Beng auf der Mauer!«
    »Ja, ich hab ihn gesehen.«
    »Vielleicht dringen wir hier unerlaubt ein?«
    »Unerlaubt?« erwiderte er hitzig. »Wer war zuerst hier in Vengiboneeza, wir oder die Beng?«
    »Aber wir sind früher immer umgekehrt, wenn wir auf Beng-Zeichen gestoßen sind.«
    »Diesmal eben nicht«, sagte Hresh.
    Sie gingen weiter. Die große Trümmerpyramide aus zerborstenen Säulen kam in Sicht. Von der Fassade des zertrümmerten Tempels gegenüber baumelten Beng-Fähnchen. Zwei der künstlichen Reparateure zogen vorbei, schenkten Hresh und Taniane jedoch keine Aufmerksamkeit, sondern widmeten sich gänzlich ihrer ernsten Aufgabe, in dem Schutt herumzustochern und schwankende Wände abzustützen.
    »Dort drüben«, sagte Taniane leise.
    Er warf einen Blick nach links. Auf einem weißen Steingebäude zeichneten sich im Mondlicht die schrecklichen Schatten zweier Benghelme ab wie scheußliche Schmutzflecken. Die zwei bulligen Bengkrieger waren von ihrem gemeinsamen Reittier, einem Zinnobären, gestiegen, standen nun neben diesem und sprachen ruhig miteinander.
    »Sie sehen uns nicht«, sagte Taniane.
    »Ich weiß.«
    »Können wir uns irgendwie an ihnen vorbeischleichen?«
    Hresh schüttelte den Kopf. »Wir lassen uns sehen.«
    »Was?«
    »Wir müssen.« Er zog den Wunderstein heraus und hielt ihn ein Weilchen in der Handfläche. Taniane starrte ihn in einer Mischung von Furcht und Faszination an, wie auf ihrem Gesicht abzulesen war. Plötzlich verspürte auch Hresh selbst Furcht: nicht vor dem Anblick des Barak Dayir, sondern wegen des riskanten komplizierten Gebrauchs, den er von ihm zu machen gedachte.
    Er senkte die Hand und ergriff mit seinem Sensororgan den Talisman. Die Musik des Wundersteins begann in seiner Seele zu erklingen. Sie besänftigte ihn und seine Befürchtungen ein wenig. Er winkte Taniane, sie solle ihm folgen, und trat ins Freie und schritt direkt auf die beiden Beng zu, die ihm überrascht und mißbilligend entgegenblickten.
    Und jetzt – die Kontrolle über sie erlangen, ohne ihnen Schaden zuzufügen, ganz besonders, sie nicht zu töten…
    Leicht berührte Hresh ihre Seelen mit der seinen. Er fühlte, wie die zwei Beng zurückzuckten, fühlte sie zornig gegen ihn ankämpfen, um sich zu befreien von der Besitzergreifung durch Hresh. Zitternd hielt Hresh den Kontakt aufrecht, ließ ihn nicht abreißen. Er konnte nicht jenen ersten Behelmten von vor so langer Zeit vergessen, der lieber gestorben war, als daß er einen andern so in sich eindringen lassen wollte. Vielleicht war mein Zugriff damals zu grob, dachte Hresh. Ich darf diese beiden nicht umbringen. Vor allem darf ich sie auf keinen Fall töten. Aber der Barak Dayir lenkt mich ja jetzt.
    Die Beng wanden sich und wehrten sich, und dann gaben sie nach und wurden schlaff und standen da und glotzten ihn an wie dumme Dschungeltiere. Hresh stieß endlich den lang gestauten Atem aus. Es funktionierte! Er hatte die zwei gefangen!
    »Ich bin gekommen, um diesen Ort zu erforschen«, beschied er sie.
    Die Augen der Beng blitzten vor Anspannung. Aber sie konnten sich seinem Zugriff nicht entwinden. Erst nickte ihm der eine zu, dann auch der zweite.
    »Ihr werdet mir jegliche Hilfe leisten, die ich von euch verlange«, sagte Hresh. »Ist das klar?«
    »Ja.« Eine rauhe, zornige, widerwillig geflüsterte Zusage.
    Ein Strom der Erleichterung sprudelte durch Hresh. Er hielt sie fest wie in einem Zuggeschirr. Aber es würde ihnen kein

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