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Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)

Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)

Titel: Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabian Hischmann
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der Calypso und blickt auf den Ozean.
    Mit jedem Halt werden die Bahnhöfe kleiner, die Berge immer höher.
    Der Schaffner kontrolliert mich. Er spricht den regionalen Dialekt und hat eine leichte Fahne. Vor den Fenstern wirbeln Pollen, fällt der dichte Nadelwald in Schluchten. Ich sehe Radfahrer auf steilen Straßen, die sich etwas beweisen wollen. Frisch geschorene Schafe dösen am Hang, die Sonne steht hoch und scheint auf meine nackten Beine. Kurz überlege ich mich einzucremen. Als würde ich in den Urlaub fahren.
    Die Gleise verlaufen im letzten Streckenabschnitt parallel zu einem schmalen Quellfluss der Donau. Als ich ihm das letzte Mal beim Fließen zugesehen habe, war der Pegelstand sehr niedrig und die Algenpopulation enorm.
    Vor noch viel längerer Zeit spielten Maria und ich vom Ufer aus »Wer weiter spucken kann«. Ich brachte ihr bei, wie man richtig rotzt.
    Nach regelmäßigem Training versaute sie Stockenten mit nur einem Versuch das Gefieder.
    Der Zug fährt in den Bahnhof ein. Mein Vater trägt einen Hut, meine Mutter ein Kleid. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie je ein Kleid getragen hat. Es flattert im Wind.
    Ich sitze breitbeinig auf der Rückbank. Mein Vater steuert den Kombi, wie immer etwas zu schnell, die kurvige Straße hinauf zu unserem Haus. Es ist das letzte Gebäude im Ort, dann beginnt der Wald, in dem so viel passiert ist. Da habe ich zum ersten Mal geraucht, zum ersten Mal gefickt und einmal fast einen umgebracht.
    Die Nacken meiner Eltern sind braun. Der meines Vaters ist sauber ausrasiert, bei meiner Mutter erkenne ich zwei lange, schwarze Haare. Eines davon sprießt aus einem Leberfleck.
    Dicht gewachsener Wein, nirgends schimmert die Wand durch. Hinter der Terrassentür steht der Hund, bellt und wedelt mit dem Schwanz, der mir viel länger vorkommt als sonst.
    Lio springt an mir hoch und meine Mutter ruft: »Pfui, sei brav.« Fiepend tappt er zwei Schritte rückwärts. »Schön, dass du da bist«, sagt sie und schaut mich an, streicht mir zärtlich über die Wange. Ihre Hand ist kalt und rau vom vielen Saubermachen. Eine Putzfrau kommt für sie nicht in Frage. Wenn man weiß, dass man den Dreck selbst wegmachen muss, bleibt man ein ordentlicher Mensch, davon ist sie überzeugt. Mein Vater öffnet die Terrassentür, und sofort summen ein paar Insekten ins Haus. Sonst ist es still. Es ist so still, dass man es mit der Angst zu tun bekommen könnte.
    Barfuß stehe ich auf den warmen Holzplanken der Terrasse und luge auf mein Handy: Nur Notrufe.
    Meine Mutter trägt Kaffee und Linzer Torte an den Tisch. »Ganz frisch«, sagt sie und schneidet sechs Dreiecke ins Rund. Sie hofft, dass ich mehrere Stücke esse. In ihren Augen bin ich immer zu dünn. Es macht sie glücklich, mich essen zu sehen. Lio streckt sich in der Sonne, seine Flanke hebt und senkt sich und ich gleiche meine Atmung seinem Rhythmus an. Bienen und Hummeln tauchen in den Blumenkelchen um uns herum, für Wespen ist es noch zu früh. »Schön, dass du da bist«, sagt meine Mutter noch einmal und schiebt sich eine Gabel in den Mund. »Wir fahren so gegen sieben«, informiert mich mein Vater. Ich nicke und leere die Kaffeetasse in einem Zug.
    Peng!
    In der Ferne knallt es. Lio hebt den Kopf, gähnt, lässt den Kopf wieder sinken. Vielleicht ist es sein letztes Jahr, immerhin ist er schon vierzehn. Als er drei war, gaben wir ihn mal für einen Urlaub ins Heim. Während wir im Ijsselmeer segelten, bekam er ein Magengeschwür.
    Peng!
    Erneut knallt es und dieses Mal zucke ich zusammen und Lio knurrt.
    »Da jagt wohl einer«, sagt mein Vater.
    Um halb acht sind meine Eltern immer noch nicht weg und diskutieren über Badetücher. Bald schon winkt mein Vater ab: »Ach Claudia, mach doch, was du willst.«
    Mit dem Gong der Tagesschau schließe ich endlich die Tür hinter den beiden. Sie hupen im Wegfahren. Auf die Nachrichten folgt eine der Expeditionen ins Tierreich .
    Gegen Mitternacht tippe ich eine Mail an Valentin, lade ihn ein, begreife, dass zwei Wochen eine lange Zeit sind. Anschließend hole ich mir Bier und Schokolade aus der Vorratskammer und werfe mich zurück auf die graue Ledercouch. Ich überlege, ein Vollmilchquadrat aus der Tafel zu knacken und es weit zwischen die Polster zu schieben, einen klebrigen Schatz zu verstecken, über den meine Mutter erschrecken und hinwegkommen wird.
    Durch die Glastür sehe ich in den Flur. Lio liegt zusammengerollt im Körbchen. Ich denke daran, dass er bald sterben wird.
    Als

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