Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)

Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)

Titel: Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabian Hischmann
Vom Netzwerk:
sie aufgehört hatten, sprang ich auf und preschte hinterher. Ich war rasend und zu jung, um zu wissen oder zuzugeben, dass die Eifersucht was mit Mädchen lieben, Jungs lieben zu tun haben könnte. Knurrend und schreiend holte ich auf, Maria knickte um, Jan wollte ihr helfen, und das war sein und mein Verhängnis. Ungebremst rammte ich ihn weg, er hatte Glück, ich hatte Glück, denn in dem Moment war mir vollkommen egal, dass kein Stein oder spitzer Ast dort lag, wo er mit dem Hinterkopf auf den Waldboden traf. Mein Schädel war ganz heiß, ich spürte die aufsteigenden Tränen kommen, pfefferte Jan eine harte Ohrfeige ins Gesicht. Er nannte mich »Hurensohn«, die schlimmste Beleidigung in diesen Zeiten, spuckte mich an, genau zwischen Oberlippe und Nase.
    Wild entschlossen, vor allem aber wild, griff ich um seinen Hals, er versuchte sich loszuzappeln, doch ich saß optimal auf seinen Armen und Beinen, ließ ihm keinen Spielraum und drückte und drückte, er wurde ganz rot, ich gab nicht nach, und erst als Maria mir in den Oberarm biss und ein Büschel Haare ausrupfte, ließ ich von ihm ab und strauchelte zurück. Maria beugte sich über Jan und sah mich an wie einen Fremden. Schnell stand ich auf und rannte davon, am Hochstand begegnete mir Konrad, ich blieb nicht stehen und er rief: »Hast du sie gefangen, hast du das Gold?«
    Das Gold waren vier Tannenzapfen, die Maria in einem Stoffbeutel am Gürtel trug, und mir scheißegal. Ich rannte weiter, mit der Absicht, nie mehr stehenzubleiben.
    Viele Kinder sind irgendwann grausam, wenige sind nachtragend. Maria verzieh mir relativ schnell. Jan ging mir aus dem Weg oder ich ihm, wie das beschämte Gegner eben tun. Wir spielten nie mehr in dieser Konstellation.
    Meine Handfläche, der Schnitt darin brennt. Ich drücke unterhalb der Wunde, bis Blut hervorquillt, und lutsche es weg.
    Ziemlich aufgewühlt beginne ich an mir herumzuspielen, werde schnell hart. In meiner Vorstellung sind es ihre Hände.

7
    »Gu-ten Mor-gen, Herr Flie-ger«, lalle ich den Spiegel an. Meine Stimme ist tief und klingt nicht ansatzweise so enthusiastisch wie der Chor meiner fünften Klasse in Bremen. Ich ratsche mit der Bürste den Belag von der Zunge, das heißt, ich versuche es. Zu zäh ist die weiße Schicht.
    »Komm zum Mittagessen«, sagte Maria gestern. Eine genaue Uhrzeit haben wir nicht abgemacht. Ich peile halb eins an.
    Mein Handy vibriert dreimal kurz und in der SMS schreibt Valentin:
    Ich komme Donnerstag, 16.45 Uhr, in St. Georgen an. Hoffe, du freust dich. Gibt es ein Fahrrad für mich?
    Valentin liebt Radfahren nach wie vor, obwohl es sein Job ist. Immer wieder betont er, wie gut der Kurier-Alltag seinem Body tue. Er mag durchtrainierte Körper, es darf aber nicht gewollt aussehen. Seine Bekanntschaften sind oft sehnige Hänflinge, von denen wir ab und zu einen mit ins Schwimmbad nehmen. Valentin findet es wichtig, sich fast nackt miteinander wohlzufühlen.
    Sorgfältig spüle ich den Mund aus, die malträtierte Zunge brennt. Milchiges Wasser kreiselt in den Abfluss, minimal blutig.
    Süße, chemische Luft hängt im Golf. Meine Mutter hat an den Spiegel gleich zwei Vanillewunderbäume geknotet, die mir jetzt Kopfschmerzen bereiten.
    Zuerst war der Golf mein Auto, das erste und letzte, eine schwarze Blechkiste, sommerlicher Sex mit Maria, zweimal auch mit Katrin, aber das weiß niemand und ist auch nicht wichtig. Heute fährt ihn meine Mutter.
    Bremen hat schließlich eine solide Infrastruktur und nicht, wie Königsburg, nur eine Handvoll Straßen, die von Hügel zu Hügel führen. Ich fahre jetzt Rennrad, mache zwischen Frühjahr und Herbst leichte Touren mit Valentin und trinke viel Kristallweizen.
    Klappernd fällt mir der Deckel des Handschuhfachs entgegen: nimm2-Bonbons, Tempos, meine alten Kassetten. Bei der Vorstellung, wie meine Mutter mit einer Freundin ins Kino fährt, dazu eine der Kassetten abspielt, etwas sagt wie »flotte Musik«, erschaudere ich. Der Schlitz schluckt das Tape:
    »Who’s got the Crack?«
    Meine Lieblingsinsekten sind Taubenschwänzchen. Sie ähneln Kolibris. Oder mutierten Hummeln. Aber laut Entomologie handelt es sich um Schmetterlinge. Man sieht sie nicht jedes Jahr, doch wenn, dann immer lebendig. Sie landen nie mit dem Fahrtwind an der Scheibe oder verfangen sich in Spinnennetzen.
    Plopp, plopp, plopp treffen die weniger smarten Käfer und Fliegen auf das Glas. Sprenkel aus Eingeweiden im Minutentakt, bei relativ niedriger

Weitere Kostenlose Bücher