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Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)

Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)

Titel: Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabian Hischmann
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einer der Nachbarn seine Kreissäge. Weil mir nichts Blöderes einfällt, rufe ich in den Lärm hinein: »Kaffee?«
    Das Sägeblatt trifft auf Holz, der schrille Ton senkt sich ein wenig.

4
    Valentin sagt, Erinnerungen sind beschissen.

5
    Die Maschine mahlt Bohnen und füllt unsere Tassen bis zum Rand. Ich schweige wieder und auch Maria streichelt nur energisch Lios Kopf. Unnötigerweise frage ich dann doch: »Was ist mit deinem Studium?«
    Sie nimmt die Ohren des Hundes in die Hände, als möchte sie nicht, dass er hört, was jetzt kommt: »Hab abgebrochen. Ging nicht mehr.«
    Zack, zack, spricht, spuckt sie das aus, als wäre es Schleim einer Erkältung, den man schnellstmöglich loswerden will, nachdem man ihn hochgezogen hat.
    Maria studierte Skandinavistik, wechselte nach der Zwischenprüfung, nach uns, von Bremen nach Freiburg. Sie beschäftigte sich mit dem Werk von Selma Lagerlöf, dem Nils Holgersson , und sagte oft, wie schade sie es finde, dass ich auch eines dieser Kinder gewesen sei, die die Trickserie geglotzt hatten, ohne jemals vom Buch gehört zu haben. In diesen, ihren elitären Momenten, wünschte ich mir immer, ich würde in einem Gewässer treiben, die Ohren unter der Wasseroberfläche, erfüllt von nichts als einem dumpfen Rauschen.
    Ich setze neu an: »Dieser Hof, auf dem du wohnst. Wie ist es denn dazu gekommen?«
    »Durch Jan.«
    »Welcher Jan?«
    Sie sieht mich unmissverständlich an.
    »Jan Kranig?«
    Sie nickt.
    Ich werfe meinen Kopf in den Nacken, drehe mich einmal im Kreis auf einem der drei modernen Metallhocker, die meine Eltern neuerdings besitzen, schiebe die leere Tasse mit Schwung über die Anrichte. Erst ganz kurz vor der Kante kommt sie zum Stehen.
    Damals im Wald, denke ich.
    »Bis morgen also«, sagte Maria und fuhr davon. Zuvor erzählte sie von sich und den anderen auf dem Hof und ich begriff es höchstens ansatzweise. Mehrmals fiel das Wort Autarkie und wie gut es sei, für sich selbst verantwortlich zu sein. Sei still, sei bitte einfach still, dachte ich. Zu fünft leben sie dort, verarbeiten Honig, bauen Gemüse an, Hühner gibt es auch. »Ich glaube, du wirst es mögen«, sagte sie und ich sagte nichts darauf, lachte nur blöd. Wenngleich ich gern geschrien hätte: »Auch ich hab mich verändert, auch ich hab mich weiterentwickelt.«
    »Scheiß Hippies« schmierte jemand vor Jahren an das einzige Bushäuschen im Ort.
    Ich denke darüber nach, mir einen Edding zu schnappen und den Satz durch ein dickes Ausrufezeichen zu ergänzen.

6
    Seit Stunden krame ich in Kisten, schaue Alben und Ordner durch. Nachdem ich mich an einem Foto meiner Großmutter geschnitten, ein wenig Blut auf ihre Schürze geschmiert habe, entdecke ich das Abschlussbild meiner Grundschulklasse. Maria steht zwischen mir und Jan und lächelt. Dort wo heute ihre blitzblanken Schneidezähne sind, ist auf dem Bild nur eine Lücke, durch die sie immer gerne Nudeln oder Strohhalme gesteckt hat.
    Eine Seite weiter im Album mit dem Titel 1987–1998: Fastnacht 96. Ich bin dreizehn und als Maus kostümiert, neben mir Maria als Vampir und neben ihr Jan als Zorro, mein Vater mit grimmigem Gesicht im Hintergrund, ohne Verkleidung. Ich weiß nicht mehr, warum mein Vater schlecht gelaunt war, dafür aber noch genau, dass ich mich ursprünglich als Indiana Jones verkleiden wollte, tags zuvor aber eine Wette verloren hatte.
    Und auch dieser bestimmte Nachmittag lag in diesem Jahr.
    Maria und Jan waren Räuber, Konrad und ich Gendarmen. Heike war mit ihren Eltern in Finale Ligure, so wie immer in den großen Ferien. Es war ein besonders heißer Tag in einem besonders heißen, trockenen Sommer. Das Gehölz knackte nervös unter unseren Schritten. Wir suchten eine halbe Stunde, dann teilten Konrad und ich uns auf. Ich war flink und trotzdem unauffällig, im Raubkatzenmodus, da entdeckte ich Maria und Jan unter dem Hochstand. Und weil ich so erschrak, ging ich nicht, ich stürzte in Deckung.
    Beide hatten ihre Hosen heruntergezogen und streichelten sich und Jan hatte schon Haare am Sack, und ich hasste ihn von null auf hundert in einer Sekunde. Konrad pfiff in die Finger, gab Laut, dass er niemanden entdeckt hatte. Erst jetzt bemerkte ich die Ameisen, die über meinen Handrücken krabbelten, ich war nur wenige Meter neben ihrem Haufen gelandet. Der Pfiff war auch das Zeichen für Maria und Jan, sich die Hosen wieder überzustreifen und im Wald ein neues Versteck zu beziehen. Voller Angst, sie könnten da weitermachen, wo

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