Am Hang
nicht, sie habe in Wahrheit wenig erzählt und tastend erzählt, so als versuchte sie sich auf einen Traum zu besinnen. Vor allem über die Ehe mit Felix – der Name sei mir ja sicher bekannt – habe sie fast nur in Andeutungen gesprochen.
Das komme mir bekannt vor, sagte ich, auch mir gegenüber habe sie es so gehalten, mit nichts sei sie wirklich herausgerückt, sie habe es vorgezogen, geheimnisumwittert zu sein, und dieses Getue sei mir mehr und mehr auf die Nerven gegangen. – Es sei ein Fehler, meinte Eva, von sich auf andere zu schließen. Daß vieles an meinem Verhalten Masche sei, berechtige mich nicht dazu, auch Valeries Verhalten in diesem Sinn zu deuten und von Getue zu reden. – Ich fragte Eva, ob sie psychologische Kurse besuche. – Sie sagte, damit könne sie nicht dienen, mir aber würde sie das warm empfehlen, obwohl sie eigentlich nicht glaube, daß Einfühlung erlernbar sei. So oder so, sie sehe Valeries Verhaltenheit und ihr so zögerndes Reden zuerst einmal als Zeugnis ihres Scham- und Taktgefühls. Und dazu kämen das Gespür und die Erfahrung, wie unendlich schwierig es sei, so etwas Widersprüchliches, wie es Gefühle seien, mit Sätzen in den Griff zu kriegen. In Valerie habe das Chaos geherrscht, das habe sie ihr, Eva, selbst gesagt, sie habe sich schuldig und unschuldig gefühlt, bedrückt und glücklich, leer und erfüllt – und zwar oft alles zugleich. Auch dies sei nur eine Andeutung ihrer damaligen Lage gewesen, und eigentlich müsse man froh sein, daß sie, statt förmlich verrückt zu werden, mit Nervenproblemen davongekommen sei. – Die Nervensache hätte ich zwar mitbekommen, sagte ich, nur habe Valerie sie völlig anders begründet. Vom Chaos der Gefühle sei nie die Rede gewesen, und ich hätte davon so wenig bemerkt, daß es mir ziemlich schwerfalle, daran überhaupt zu glauben.
Eva seufzte, so wie man seufzt, um jemanden wissen zu lassen, daß man ihn mühsam findet und es für sinnlos hält, sich weiter mit ihm abzugeben. Ich fragte trotzdem noch – obwohl mir eigentlich mehr daran lag, das Gespräch endlich auf Loos zu bringen –, ob Valerie zu mir gekommen sei, weil es gekriselt habe in der Ehe. – Das wisse sie nicht, sagte Eva, da Valerie auch ihr kaum einen Einblick ins Innere ihrer Beziehung habe geben können. Sie habe gleichsam einen Schutzwall um diese Ehe errichtet, und sie, Eva, habe das respektiert und nie einzudringen versucht. Wenn Valerie doch einmal wie nebenbei auf Felix zu sprechen gekommen sei, so sei ihr Ton ein seltsam warmer gewesen, man habe Achtung, ja Liebe heraushören können, so daß es ihr, Eva, schlicht schleierhaft sei, was diese Frau dazu getrieben habe, sich in fremde Arme zu werfen. Sie könne nur mutmaßen, das wolle sie jetzt nicht. Mit Sicherheit aber könne sie sagen, daß weder pure Abwechslungslust noch die Verführungskünste eines Schürzenjägers Motive gewesen seien. – Ich überging den Schürzenjäger und sagte, ich fände es schade, daß sich die Ehesache nicht wieder eingerenkt habe, ich hätte eigentlich damit gerechnet, es ehrlich gehofft und beiden gewünscht. – Edel sei der Mensch, hilfreich und gut, sagte Eva. – Ungerührt überging ich auch diese Bemerkung und fügte an, daß ich andrerseits Verständnis hätte für Felix, es sei ja nicht jedem gegeben, eine untreue Frau, die wieder an die Türe klopfe, herzlich willkommen zu heißen. – Ihm sei es gegeben gewesen, entgegnete Eva, er hätte sie mit einem Rosenstrauß empfangen. – Ob das denn heiße, fragte ich, daß Valerie nicht mehr habe zurückkehren wollen zu ihm. – So sehe es aus, sagte Eva. Untrügliche Zeichen aber sprächen dafür, daß Valerie habe zurückgehen wollen, diesen Wunsch aber unterdrückt habe. – Wenn dem tatsächlich so sei, sagte ich, dann wäre ich äußerst gespannt auf die Gründe. – Die seien filigran und schwer zugänglich, sagte Eva. – Ob sie sie also kenne, fragte ich. – Sie sagte, sie könne sie fühlen.
Ich ließ sie fühlen und bestellte ein Wasser. – Hast du ihn jemals kennengelernt, ich meine den Felix Bendel? fragte ich dann. – Nicht kennengelernt, sagte sie, nur per Zufall schnell gesehen, damals, nach seinem Kurzbesuch bei Valerie. – Er hat sie hier besucht? – Ja, das hat er, und zwar gegen Ende der ersten Aufenthaltswoche, das weiß ich noch, das hat sie mir später erzählt. – Hat er bei ihr übernachtet? – Oh, der Herr ist eifersüchtig, wer hätte das gedacht. Ich kann dich aber beruhigen,
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